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4. April 2019
Corporate Culture ist harte Arbeit – so machen wir es bei Personio
Wie finden Unternehmen heraus, wer wirklich in die Organisation und ins Team passt? Mit "wirklich" ist gemeint: Wer bringt neben dem Fachlichen auch die persönlichen Voraussetzungen mit? Vom social oder
Leitfaden hier herunterladenBei Personio wird der social fit im so genannten Values Interview abgefragt. Das war nicht immer so, hat sich aber in kurzer Zeit bewährt. CEO Hanno Renner spricht über den Prozess, die Schwierigkeiten und abgelehnte Kandidaten.
Früher haben wir vor allem nach Bauchgefühl eingestellt.
Lieber Hanno, was leisten eure Operating Principles?
Sie sollen herausstellen, ob ein Kandidat bzw. ein Mitarbeiter unsere Werte teilt und langfristig zu uns passt.
Wie kam es zur Initiative, Operating Principles zu definieren?
Hierfür muss ich etwas ausholen. Denn vor den Operating Principles einigten wir uns erst einmal auf einen Katalog an Werten. Der entstand vergangenen Sommer. Da waren wir 20 Mitarbeiter und wuchsen schnell [Update: Heute sind es über 100]. Uns wurde bewusst: Wenn wir immer mehr Aufgaben auf vielen Schultern verteilen, muss klar sein, wen man sucht. Bis dahin hatten wir nach persönlichen Kriterien und auch nach Bauchgefühl eingestellt. Wer auf den ersten und zweiten Blick passte und fachlich fit war, den stellten wir ein. Das wollten wir schärfen: Ins Team sollte kommen, wer ganz konkrete Eigenschaften mitbringt. Für bestehende Mitarbeiter gilt das natürlich auch. Daher prägen unsere Werte sowohl den Bewerbungsprozess als auch unsere Feedback- und Entwicklungsgespräche.
Wie war der Prozess?
Wir, also das Management-Team, haben uns gefragt: Wie wollen wir arbeiten, was ist uns wichtig? Dabei schauten wir uns auch Mitarbeiter an, die gut passen und gute Arbeit machen. Daraufhin haben wir fünf Werte definiert – Dedication, Fun, Openness, Integrity und Responsibility – und sehr detailliert festgelegt, was wir darunter verstehen.
Das Problem
Am Ende stand eine sehr lange Liste, die unsere Kultur zwar genau beschrieb, aber zu komplex war. Wenn ein Kandidaten all das im Interview beantworten soll, hätte das zu keinem Ergebnis geführt. Wir brauchten also eine Basis, die operationalisierbar ist.
Wie habt ihr eure Operating Principles identifiziert?
Uns war klar: Wir müssen die Prinzipien in Verhaltensweisen übersetzen und Kandidaten danach fragen können. Also haben wir Werte gesammelt und Aktionen angeschaut von Mitarbeitern, von denen wir glauben, dass sie zu einem produktiven Arbeitsumfeld beitragen. Daraus leiteten wir wieder eine Liste mit Punkten ab – immer verbunden mit der Frage, was unsere Ziele unterstützt.
Personios Operating Principles
Eines der Prinzipien lautet “Customer first” – das hat uns erfolgreich gemacht, denn durch ein positives Kundenerlebnis wurden wir weiterempfohlen und konnten vor allem am Anfang ohne Marketing schnell wachsen. Die anderen sind:
Driven by impact
Constantly challenge
Solutions over problems
Embrace feedback
Act proactively
Communication is key
Be diligent
Da wir glauben, dass zu einer Kultur mehr als nur Verhaltensweisen gehören, haben wir weiterhin “Core Values”, die unsere Operating Principles abrunden. Diese werden aber nicht im Vorstellungs- oder Feedbackgespräch abgefragt, sondern selbstverständlich gelebt. Sie lauten: Ownership,Teamspirit,Fun undSocial Responsibility.
Wie lange habt ihr dafür gebraucht?
Wir haben viel diskutiert, zu Beginn standen mindestens 20 Prinzipien auf der Liste. Am Ende, nach mehreren Meetings, konnten wir uns aber auf einen gemeinsamen Nenner einigen. In Stunden würde ich sagen 15-20, teilweise in kleinen Gruppen und teilweise mit dem gesamten Management Team.
Wie habt ihr die Werte operationalisiert?
Indem wir ihnen Sätze zugeordnet haben, die unmissverständlich sind. Etwa: “We consider customer satisfaction priority number one in every decision.” Sie helfen, die teilweise vagen Prinzipien in den Job-Alltag zu integrieren. Das sagen mir zumindest immer wieder Kollegen. Auch unsere Feedback- und Entwicklungsgespräche basieren auf diesen Prinzipien, die sowohl für Vorgesetzte als auch für Mitarbeiter gelten. In den Vorstellungsgesprächen stellen wir konkrete Fragen zu den Operating Principles.
Kannst du ein Beispiel geben?
Gern. Eine Frage zu ‘Customer first' lautet: “Erzähl mir von einer Situation, in der du einen Kunden glücklich gemacht und positives Feedback erhalten hast.” Damit kann jeder etwas anfangen.
Was macht ihr mit den Antworten?
Anhand der Antworten wollen wir herausfinden, inwiefern der Kandidat die Prinzipien verinnerlicht hat. Auf einer Skala von eins bis fünf bewerten wir dann die Operating Principles. Das basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Verhaltens- und Organisationspsychologie. Uns geht es dabei weniger um Zahlenspiele, sondern um eine Vergleichbarkeit. Sie schafft in unseren Augen Fairness und beugt subjektiven, situationsbedingten Urteilen vor.
Wie integriert Ihr die Operating Principles in den Bewerbungsprozess?
Jeder Kandidat durchläuft mehrere Interviews, eines davon ist das “Values Interview”. Dabei spricht der Bewerber mit zwei neutralen Personen, das heißt: mit einem Kollegen oder einer Kollegin, die von einer Neueinstellung nicht unmittelbar profitieren würde. Sie stellen die verhaltensbezogenen Fragen und werten sie aus. Jeder von ihnen hat ein Veto, wenn es um die “Beförderung” in die nächste Bewerbungsrunde oder die Einstellung geht.
Etwa 40 % der Bewerber kommen nicht durchs “Value Interview”.
Habt ihr Bewerber abgelehnt, weil sie eure Operating Principles nicht teilen?
Ja, etwa 40 Prozent der Kandidaten lehnen wir im Zuge dieses Interviews ab. Wir fragen den Bewerber während des Prozesses, wie er in der Vergangenheit in bestimmten Situationen reagiert hat – zum Beispiel, als ein Kollege harsche Kritik übte. Hat der Kandidat wenig Erfahrung, konfrontieren wir ihn mit Szenarien – wie würdest du reagieren, wenn … – oder fragen direkt nach seinen Prinzipien – was ist dir wichtig und warum …?
Was ich damit sagen will: Da jeder Kandidat eine individuelle berufliche Vita mitbringt, setzen wir uns jedes Mal individuell mit ihm auseinander. Dafür nehmen wir uns Zeit, denn die Vergangenheit hat uns gelehrt: Wenn wir nur 90 statt 100 Prozent sicher bei einem Kandidaten sind, kann uns das später einholen. Wir haben schon erlebt, dass wir nach Ablauf der Probezeit genau diese 10 Prozent vermissen und uns dann unsicher sind, ob eine weitere Zusammenarbeit Sinn macht.
Habt ihr euch schon mal getäuscht?
Wir machen dabei sicher auch Fehler und haben einen Kandidaten schon mal ungerechtfertigt abgelehnt. Obgleich wir stark wachsen und viele neue Kollegen suchen, wollen wir uns bei jeder Neueinstellung einfach 100 Prozent sicher sein, dass es passt.
Kannst du ein Beispiel geben für einen Kandidaten, bei dem es nicht gepasst hat?
Klar. Eines unsere Prinzipien lautet “constantly challenge”, denn Hinterfragen führt unserer Erfahrung nach zu besseren Ergebnissen. Als ich einen Kandidaten fragte, wie er damit umgehen würde, wenn ich zu einem fachlichen Thema, zu dem ich offensichtlich keine Expertise habe, anderer Meinung bin, sagte er, er würde meine Meinung übernehmen. Es ist mir sehr wichtig, dass sich Mitarbeiter trauen, ihre Meinung zu äußern und verargumentieren, wenn sie von einer Sache überzeugt sind – auch wenn sie das Gegenüber damit in Frage stellen. Da dieser Punkt zentral ist für uns, haben wir uns in diesem Fall gegen den Kandidaten entschieden.
Welches der acht Operating Principles ist dir persönlich am wichtigsten?
Das kann ich so nicht sagen. Was ich aber immer wieder feststelle: das eine bedingt oft das andere. Wer lösungsorientiert arbeitet, wird eher sichtbare Ergebnisse erzielen. Wer es schätzt, Feedback zu geben und zu erhalten, der möchte und wird sich stetig verbessern. Ich denke, dass alle Operating Principles wichtig sind und jeder Mitarbeiter, inklusive mir selbst, kann sich in unterschiedlichen Bereichen weiterentwickeln.
Lieber Hanno, vielen Dank für das Gespräch.