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27. Februar 2020
Warum HR jetzt die Digitalisierungskurve kriegen muss!
“Digitalisierung” ist mittlerweile leider schon so ein abgenutzter Begriff, dass die bloße Erwähnung bisweilen Augenrollen hervorruft. Manchmal ist die Reaktion darauf auch nur ein müdes Achselzucken: “Es geht ja auch noch so bei uns!”.
Fragt man Personaler*innen auf Konferenzen oder Events, zeigen sich meist zwei Extreme in den Personalabteilungen: Entweder es wird nach wie vor auf die “Wunderwaffe Excel” gesetzt oder es gibt zig verschiedene Systeme für verschiedene Angelegenheiten. Von Talent Management bis Zeiterfassung sammeln diese Systeme ihre Daten dann oft munter für sich alleine und müssen dann (doch wieder in Excel) zusammengetragen werden.
Das Einführen digitaler Systeme und Prozesse in Unternehmen wird hierzulande immer noch vor sich hergeschoben. Irgendwie ist es ja auch kein Wunder, befinden wir uns in Deutschland immer noch im technischen Winterschlaf. Zahlt man in anderen Ländern wie selbstverständlich jedes Brötchen kontaktlos per Kreditkarte oder mit dem Smartphone, muss man in Deutschland die Centmünzen zusammenkratzen und bekommt einen Kassenbon ausgehändigt.
Wir können uns hierzulande immer noch mit wenig Technik “durchschmuggeln”, digitalen Tools wird eher misstraut – dabei gibt es genug Studien, die zeigen, dass der Mensch der Technik an vielen Stellen klar unterlegen ist. Hier mal schnell aus Versehen eine Formel überschrieben, da mal mit einem Finger in der Spalte verrutscht – und schon stimmen selbst Wahlergebnisse nicht mehr, wie jüngst bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg.
Geld in eine gute HR-System-Infrastruktur zu investieren, zahlt sich langfristig aus.
Arbeitsstunden von HR können ganz sicher besser eingesetzt werden, als Excel-Tabellen zusammenzuführen. Auch gerade im Bereich Recruiting haben Excel-Tabellen noch einen entscheidenden Nachteil: Es kostet enorm viel Zeit und Aufwand, diese Tabellen DSGVO-konform zu führen.
Ein gutes Recruiting-System erinnert einen nicht nur an das Löschen von Bewerberdaten, sondern erleichtert durch automatisierte Mails auch das Einladungs- und Bewerber*innen-Management. Copy-Paste-Mails mit dem Betreff “Absage-Vorlage”, die aus Versehen an Bewerber*innen rausgehen oder (noch schlimmer) Mails mit falscher Anrede, gehören mit guten Systemen der Vergangenheit an.
Selbst Top-Personaler*innen können sich vor solchen Faux-pas nicht schützen. Der Mensch ist nunmal fehleranfällig. Eine ordentliche technische Infrastruktur strahlt also auch auf Employer Branding und den Ruf der Personalabteilung ein – inhouse wie extern.
Eine nachhaltige Organisationsentwicklung muss auf validen Daten und Zahlen stehen.
Ja, das Bauchgefühl spielt auch in Organisationen immer eine Rolle – gerade auch in Change-Prozessen geht es viel um Emotionen. Umso wichtiger ist es, dass HR in solchen Zeiten (und die stehen uns in Deutschland bald flächendeckend bevor) auch mit Daten und Fakten argumentieren kann.
Mit einer umfassenden und gut verknüpften Systemlandschaft lassen sich Prognosen und Szenario-Betrachtungen ganz einfach durchführen – dafür braucht es dann auch keine Programmier-Kenntnisse.
Natürlich gilt auch in diesen Fällen: Wenn ich Quatsch in das System eingebe, kommt auch Quatsch aus dem System heraus. Daher ist es unabdingbar, dass sich HR fit macht für die Anforderungen 2020+! Dazu gehört es auch, ein gute und valide Datenstruktur zu schaffen.
Das ist keine einmalige Aktion, die mit einem zweiwöchigen Ausnahmezustand erledigt ist, sondern muss fortlaufend und gewissenhaft passieren. Die Wichtigkeit der Datenkonsistenz und -qualität muss dabei allen Mitarbeiter*innen in der Personalabteilung klar sein. Ein System kann sich nicht selbst mit Daten speisen und ist beispielsweise auf initiale Befüllungen und nachhaltige Datenpflege angewiesen. Dies ist übrigens auch keine Aufgabe für eine/n Werkstudent*in oder den/die Praktikant*in. In Zukunft wird der/die HR- Datenexpert*in sicherlich noch ein wichtiger Berufszweig werden.
Nur eine gut ausgebildete HR-Abteilung kann die richtigen Entscheidungen treffen.
Digitalisierung hat einen Preis – und damit meine ich nicht nur den Preis der Systeme, die HR sich anschaffen sollte. Bevor es soweit ist, hat HR den dringenden Auftrag, eine “digitale Denkweise” zu etablieren. Spätestens an diesem Punkt treffe ich auf den häufigsten Fehler, den HR aus meiner Sicht momentan macht:
Das bedeutet, dass man sich intuitiv oft für die Software entscheidet, die am nächsten an den aktuellen analogen Prozessen dran ist. Egal, wie gut oder schlecht die aktuellen Prozesse sind. Die Lösung, die “am einfachsten zu bedienen ist”, “am schnellsten zu implementieren” oder “keine Prozessveränderung bringt” macht dann das Rennen. Unabhängig davon, ob sie für die anstehenden Herausforderungen der Organisation tatsächlich geeignet ist.
Je technisch unaufgeklärter die HR-Abteilung ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie für sich ungeeignete Systeme auswählen. Diese Fehlentscheidungen führen dann hinterher erst zum richtigen “Digitalisierungs-Frust”. Daher ist es sehr wichtig, dass HR-Abteilungen sich explizit Zeiten dafür einräumen, sich mit Tools und Technik auseinanderzusetzen. Sich Demos anzuschauen und sich ein Bild dazu machen, welche Tools es am Markt überhaupt gibt und was das passende sein könnte. Und zwar schon BEVOR der akute Druck besteht, ein System anzuschaffen.
Der ultimative Trick dabei ist, dass man sich Referenzen nennen lässt und mit den Personaler*innen-Kollegen der jeweiligen Unternehmen spricht, die das Tool bereits eingeführt haben. So erfährt man aus erster Hand, was bei dem System gut klappt, wo man aufpassen muss und wie man bestimmte Fehler bei der Einführung vermeidet.
Vor zehn Jahren war es sicher noch undenkbar, als 30-Mann-Unternehmen ein Personalsystem einzuführen. Das war nur was “für die Großen”, die bei den entsprechenden Spitzen-Dienstleistern einkaufen konnten. Mittlerweile hat HR die Qual der Wahl und viele Unternehmen stellen bereits zu Anfang ihrer Unternehmensgründung HRler*innen ein. HR hat nun also die ultimative Chance, sich im Rahmen einer gesunden Organisationsentwicklung als Vorreiter und Experte zu positionieren. Digital und bestens vernetzt in die Zukunft von HR!
Eva Stock
Eva Stock ist Speakerin, Bloggerin & Autorin. Zunächst in der Personalentwicklung der Deutschen Bahn, wechselte sie als Teamlead HR in eine Berliner Online Marketing Agentur. Dynamisches Umfeld inklusive. Heute ist Eva Head of Business Relations bei Jobufo, dem Anbieter für Recruiting-Technologie.