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10. April 2018
Warum Personaler Big Data misstrauen sollten – und dennoch fürs Recruiting nutzen können. Experten-Interview
Ein extrovertierter Kandidat macht einen besseren Verkäufer als ein Introvertierter. Wer gewissenhaft ist, eignet sich eher fürs Projektmanagement als ein Kreativer. HR-Verantwortliche wissen meist ganz gut, welche Kandidaten sich für einen Job qualifizieren – und wählen entsprechend aus. Mit Big Data sollen Zusammenhänge aufgedeckt werden, die dem menschlichen Recruiter entgehen. Dabei kommt auch mal heraus: Menschen mit grünen Augen sind besser im Kundenservice. Das ist natürlich Unsinn und zeigt, dass Big Data nicht zwangsweise die Antwort ist.
Darüber sprechen wir mit Bärbel Schwertfeger, Diplom-Psychologin und Chefredakteurin von Wirtschaftspsychologie aktuell.
Liebe Frau Schwertfeger, wie funktioniert
Eine Maschine wird mit vielen Informationen – Big Data – gefüttert und leitet daraus Zusammenhänge ab. Im besten Fall erkennt die Maschine Korrelationen, die der Mensch nicht kennt.
Wobei man bedenken muss: Der menschliche Personaler weiß schon eine ganze Menge, insbesondere der mit viel Erfahrung. Er weiß, dass ein stringenter Lebenslauf auf Zielstrebigkeit hinweisen kann, oder Auslandserfahrung für Offenheit steht – um zwei Beispiele zu nennen.
Als Personaler kann ich die Verantwortung nicht abschieben.
Herauszufinden gilt: Welche Kandidaten sind warum erfolgreich? Wo hat jemand studiert, was hat jemand studiert etc.. Und inwiefern sagt das etwas über die spätere Leistung aus? Das sind verschiedene Variablen, auf Basis derer ein Algorithmus einer Formel folgt. Die könnte am Ende so aussehen:
2 Punkte bekommt der mit mehreren Jobwechsel3 Punkte bekommt der mit Auslandsaufenthalt4 Punkte bekommt der mit ausgezeichnetem Universitätsabschluss
Wo liegen die Vorteile maschineller Personalauswahl?
Ein Computer entscheidet jeden Tag gleich. Der Personaler ist schon mal schlecht drauf, und wählt Kandidaten nach subjektiven Kriterien. Vorsicht ist dennoch geboten, denn auch eine Maschine ist nicht immer objektiv, immerhin wird sie von (subjektiven) Menschen programmiert. Ganz wichtig ist meiner Ansicht die Frage: Mit welchen Daten füttere ich die Maschine und was mache ich mit den Ergebnissen?
Worauf muss ich als Personaler achten, wenn ich mit Big Data hantiere?
Ich kann zum Beispiel die Variabel Fremdsprachen-Kenntnisse eingeben und erhalte vom Computer dann das Ergebnis: Jemand, der mehr als drei Fremdsprachen sprechen kann, ist erfolgreicher im Job. Dann muss ich fragen: Steht die Fremdsprachen-Kompetenz vielleicht für seinen/ihren IQ? In diesem Fall könnte ich auch gleich einen IQ Test machen, um etwas über seine Leistung herauszufinden. Es handelt sich also bei der These viele Sprachen → gut im Job um eine Schein-Korrelation. Die Formel wäre eher: hoher IQ → gut im Job.
Ein Algorithmus ist (nur) gut in Standard-Lebensläufen.
Was ich damit sagen will: Als Personaler kann ich die Verantwortung nicht abschieben. Ich muss sorgfältig prüfen, was rein und was raus kommt aus dem Computer und ob zur Beantwortung meiner Fragen Big Data die geeignete Methode ist. Big Data ist keine Wunderwaffe.
Darauf sollten Personaler achten:
Variablen sorgfältig wählen. Grüne Augen z. B. sollten keine Variable sein.
Korrelation und Kausalität unterscheiden. Mag sein, dass erfolgreiche Kandidaten vermehrt grüne Augen haben. Allerdings führt das eine nicht zum anderen, sie sind lediglich (zufällig) beide vorhanden.
Es geht um Wahrscheinlichkeiten. Ein höheres Gehalt ist nicht zwingend ein Indikator für mehr Leistung/Erfolg. Der oder die kann auch aus nicht leistungsbezogenen Gründen sein Gehalt gesteigert haben, etwa weil er besonders gut verhandeln kann.
Ein Algorithmus ist gut in Standard-Lebensläufen. Exoten fallen schon mal raus, etwa wenn ein Kandidat Leerzeiten im CV hat. Die Maschine schlussfolgert dann: Der oder die ist weniger erfolgreich. Muss aber nicht sein. Womöglich hat der Kandidat in der freien Zeit etwas Wichtiges gelernt oder unternommen.
Wo liegen die Grenzen von Big Data?
Der Mythos, der gerade zirkuliert, lautet: Wir brauchen nur viele Daten, dann lösen wir alle Personalprobleme. Dabei geht unter, wie sehr es auf die Art der Daten ankommt. Merkmale wie akademischer Grad oder Gehalt haben nur bedingt Aussagekraft über die Performance.
Big Data ist keine Wunderwaffe.
Es sind eher bestimmte Faktoren wie etwa Intelligenz, die etwas über die Qualität und Leistung von Kandidaten aussagen. Haben Unternehmen diese Daten überhaupt? Wie erfassen bzw. überprüfen sie diese? Algorithmen eignen sich gut, um anhand bestimmter Kriterien große Bewerberzahlen zu reduzieren. Aber danach bedarf es noch weiterer Methoden wie etwa strukturierte Interviews.
Welchen Rat haben Sie an Personaler?
Sie können im Recruiting den Algorithmus als Entscheidungshilfe dafür nutzen, wen Sie einladen und dann im Gespräch prüfen,, ob die Korrelationen, die eine Maschine aufgedeckt hat, den Realitätscheck bestehen. Dabei kann ich als Personaler zum Beispiel Fragen stellen wie: Wie würden Sie in einer Situation x/y handeln bzw. haben Sie schon einmal gehandelt? So kann ich herausfinden, ob jemand tatsächlich strukturiert, zielstrebig oder lösungsorientiert ist – und entsprechend qualifiziert für den Job.
Liebe Frau Schwertfeger, vielen Dank für das Gespräch.
Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin vor allem im Bereich Personalentwicklung und Weiterbildung für zahlreiche Medien tätig. Seit 2007 ist sie zudem Chefredakteurin des Fachmagazins Wirtschaftspsychologie aktuell.