Arztbesuch während der Arbeitszeit: Recht & Betriebspraxis

Arztbesuch während der Arbeitszeit: Recht & Betriebspraxis

Private Angelegenheiten sind in der Freizeit zu erledigen und nicht während der Arbeitszeit. Doch gilt das auch für Arztbesuche? Die Rechtslage gestaltet sich komplex und ist abhängig von der anstehenden Untersuchung und der Arbeitnehmergruppe zu beurteilen. Alle relevanten Aspekte und Hinweise zur praktischen Handhabung erläutert der folgende Artikel. 

Key Facts

  • Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sind Privatsache, dürfen aber unter Umständen in die Arbeitszeit gelegt werden.

  • Arbeitnehmer:innen haben ihren Arbeitgeber im Vorfeld über Arztbesuche während der Arbeitszeit zu informieren. 

  • Arbeitnehmer:innen müssen schriftlich nachweisen, dass der Arzttermin ausschließlich während der Arbeitszeit wahrgenommen werden kann.

  • Schwangere und Jugendliche sind für ausgewählte Untersuchungen bezahlt freizustellen.

  • Flexible Arbeitsmodelle und klar definierte Vertretungen beugen Produktivitätsausfällen durch Arztbesuche vor.

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Besteht ein Recht auf einen Arztbesuch während der Arbeitszeit?

Die Erbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung gehört zu den grundlegenden Verpflichtungen, denen Arbeitnehmer:innen nachzukommen haben. Dieser stehen private Angelegenheiten wie etwa Arztbesuche während der Arbeitszeit im Wege. 

Tatsächlich aber treten in der Praxis Fälle auf, in denen es schlichtweg nicht möglich ist, einen Arzttermin außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen. Aus diesem Grund gibt es verschiedene Gesetze und Vertragswerke, die Arbeitnehmer:innen das Recht auf Arztbesuche während der Arbeitszeit einräumen − oder es auch ausschließen.

Erfahren Sie, welche Bestimmungen für die bezahlte oder unbezahlte Freistellung gelten.

Gesetzliche Regelungen

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bildet die maßgebliche Gesetzesgrundlage für die Handhabe einer vorübergehenden Verhinderung der Arbeitnehmer:innen. Laut § 616 BGB haben Arbeitnehmer:innen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ und ohne eigenes Verschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert sind. 

Die Verpflichtung zur Arbeitsleistung entfällt demzufolge, wenn sie für Arbeitnehmer:innen unzumutbar ist. Dass dies auch auf einen Arztbesuch zutreffen kann, wurde bereits vom Bundesarbeitsgericht bestätigt (Urteil vom 29.02.1984 – 5 AZR 92/82). Dafür muss allerdings der Arztbesuch während der Arbeitszeit als notwendig gelten. Dies ist aus rechtlicher Sicht der Fall, wenn

  • akute Beschwerden vorliegen (z. B. Schmerzen),

  • Untersuchungen zu einer bestimmten Tageszeit stattfinden müssen (z. B. eine Blutentnahme am Morgen) oder

  • die gewählte Arztpraxis keinen Termin außerhalb der Arbeitszeit anbietet.

Neben dringend erforderlichen Arztbesuchen trifft dies auch auf ärztlich verordnete Therapien und Behandlungen (z. B. Dialyse) zu. Nichtsdestotrotz obliegt es Arbeitnehmer:innen, die Ausfallzeiten minimal zu halten.

Das Recht auf freie Arztwahl bleibt für Arbeitnehmer:innen jedoch in jedem Fall unangetastet. Sie müssen nicht extra auf eine andere Praxis ausweichen, nur weil diese einen Termin anbietet, der besser mit den Arbeitszeiten konveniert.

Diese Regeln greifen auch dann, wenn Angehörige oder Kinder von Arbeitnehmer:innen bei einem Arzttermin auf Begleitung angewiesen sind. 

Gut zu wissen: Die arbeitgeberseitige Pflicht zur Entgeltfortzahlung umfasst in der Regel sowohl die Zeit des Arztbesuchs als auch etwaige Fahrtzeiten. 

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Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen

Die Gültigkeit des § 616 BGB kann tarifvertraglich oder mittels einer Betriebsvereinbarung eingeschränkt bzw. präzisiert werden. Eine zulässige Regelung besteht beispielsweise darin, dass Arbeitnehmer:innen für Arztbesuche während der Arbeitszeit lediglich unbezahlt freigestellt werden.

Des Weiteren kann eine Gleitzeitregelung dafür sorgen, dass Arbeitnehmer:innen eine größere Flexibilität bei der Terminwahl erhalten. Auf diese Weise sind beispielsweise Arztbesuche am frühen Morgen möglich, indem die Arbeitszeit zeitlich nach hinten verschoben wird.

Bescheinigungspflicht 

Liegt für Arztbesuche, Behandlungen oder Therapien während der Arbeitszeit ein rechtskräftiger Grund vor, besteht eine Nachweispflicht für Arbeitnehmer:innen. Sie müssen sich also von der Arztpraxis bescheinigen lassen, dass der Termin notwendig war. Der Arbeitgeber kann wiederum entscheiden, ob er diesen Nachweis verlangt. 

Beschließt das Unternehmen, Nachweise einzufordern, so bietet es sich an, eine passende Vorlage für Mitarbeiter:innen bereitzustellen. Diese sollte mit dem Namen und der Arbeitszeit des/der Beschäftigten sowie einem Notwendigkeitsvermerk der Arztpraxis versehen werden. 

Gut zu wissen: Auch für Arzttermine von Kindern und Angehörigen während der Arbeitszeit gilt: Arbeitnehmer:innen haben den Nachweis zu erbringen, dass ihre Begleitung erforderlich ist. 

Ausnahmeregelungen

Neben den grundsätzlichen Regeln für Arztbesuche während der Arbeitszeit sind für bestimmte Arbeitnehmergruppen weitere Besonderheiten zu berücksichtigen. Für folgende Personen bestehen eingeschränkte bzw. erweiterte Ansprüche:

  • Mitarbeiter:innen in Teilzeit: Für Teilzeitmitarbeitende geht der Gesetzgeber von einer erhöhten zeitlichen Flexibilität aus. Diese macht es ihnen prinzipiell leichter, Arzttermine außerhalb ihrer Arbeitszeit wahrzunehmen. Trotzdem gibt es auch hier Spielraum – etwa wenn ein akuter medizinischer Grund vorliegt oder die Praxiszeiten den limitierenden Faktor darstellen.

  • Schwangere und stillende Mütter: Frauen sind vom Arbeitgeber für Untersuchungen freizustellen, die „im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind“ (§ 7 Mutterschutzgesetz). Im selben Paragrafen ist weiters festgelegt, dass sich die Freistellung auch auf die Zeit des Stillens während der Arbeitszeit bezieht. Der Arbeitgeber muss der Mitarbeiterin in beiden Fällen das Entgelt fortzahlen (§ 23 MuSchG).

  • Jugendliche: Das Jugendschutzgesetz regelt, dass Jugendliche zum Zweck von ärztlichen Untersuchungen freizustellen sind – unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts (§ 43 JArbSchG). Dies gilt sowohl für Erstuntersuchungen nach Aufnahme der Tätigkeit als auch für Nachuntersuchungen. 

Gut zu wissen: Für die regulären Vorsorgeuntersuchungen gilt in der Regel kein Recht auf bezahlte Freistellung, um einen Arztbesuch während der Arbeitszeit wahrzunehmen. Denn: Vorsorge- bzw. Routineuntersuchungen sind in den meisten Fällen nicht an bestimmte Zeiten gebunden und somit auf die Arbeitszeiten abstimmbar.

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Betriebliche Auswirkungen

Krank zur Arbeit oder Gang zum Arzt? In beiden Fällen kommt es zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Verminderung der Arbeitsfähigkeit des/der Betroffenen. Von chronischen Erkrankungen einmal abgesehen, sind Krankheiten von Mitarbeitenden naturgemäß nicht planbar, sondern gehören zu den unerwarteten, aber auch unvermeidlichen Herausforderungen, mit denen sich Arbeitgeber immer wieder konfrontiert sehen.

Produktivitätsverlust

Krankheitsbedingte Ausfälle bedeuten für Unternehmen einen Produktivitätsverlust. Jedoch geht ca. jede:r Zweite von über 11.000 befragten Beschäftigten zumindest manchmal krank zur Arbeit – so eine Studie des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung und der Techniker Krankenkasse. Sollten sich Arbeitgeber also darüber freuen, wenn Arbeitnehmer:innen trotz Krankheit zur Arbeit (= Präsentismus) erscheinen? Mitnichten. Präsentismus birgt nicht nur das Risiko chronischer Krankheiten, sondern erhöht auch die Ansteckungsgefahr für andere Arbeitnehmer:innen. 

Informieren Sie sich hier, welches Verhalten bei einem Arbeitsunfall richtig ist.

Planung und Vertretung

Hängen wichtige Entscheidungen oder Prozessschritte von einzelnen Mitarbeiter:innen ab, kann sich deren Abwesenheit schnell nachteilig auswirken. Zur effektiven Planung von Projekten gehört demnach stets, mehrere Entscheidungsträger:innen einzubinden. Sind verschiedene Beteiligte mit der Materie vertraut sowie mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet, beugt dies abwesenheitsbedingten Beeinträchtigungen vor.

Als adäquate Maßnahme sollte man auf ein lückenloses System aus Vertretungspersonen setzen, das für alle beteiligten Mitarbeiter:innen einsehbar ist. Dabei sind Verantwortlichkeiten und Befugnisse im Vorfeld klar zu definieren, um Verwirrungen und Komplikationen zu vermeiden. Kehren die betreffenden Mitarbeiter:innen nach dem Arztbesuch an ihren regulären Arbeitsplatz zurück, obliegt es ihnen, sich von ihrer Vertretung auf den neuesten Stand bringen zu lassen.

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Best Practices

Die Gesundheit von Arbeitnehmer:innen ist nicht nur von unzweifelhaftem Wert für die Betroffenen selbst, sondern auch von großer Wichtigkeit für Arbeitgeber, um reibungslose Arbeitsabläufe sicherzustellen. Arztbesuche wiederum dienen nicht nur dazu, in akuten Fällen Abhilfe zu schaffen, sondern auch dazu, Erkrankungen vorzubeugen. Daher ist es im Interesse eines Unternehmens, seinen Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, unaufschiebbare sowie routinemäßige Arzttermine wahrzunehmen. 

Flexibilität im Arbeitsalltag

Lange Zeit dominierten feste Arbeitszeiten zwischen 9 und 17 Uhr („nine to five“) die klassische Arbeitswelt. Da dies auch den üblichen Sprechzeiten vieler Arzt- und Therapiepraxen entspricht, blieb kaum Spielraum für Arzttermine außerhalb der Arbeitszeit.

Durch den Trend hin zu flexiblen Arbeitszeitmodellen hat die Work-Life-Balance einen regelrechten Aufschwung erlebt. Gleitzeit, Mobile Working und Co. verschaffen Arbeitnehmer:innen mehr Freiräume, um private Termine und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Wenn Arbeitgeber flexibles Arbeiten ermöglichen, reduziert sich somit auch die Notwendigkeit von Arztbesuchen während der Arbeitszeit

In der Regel gilt: Je flexibler die Arbeitszeitregelung, desto triftiger muss der Grund für einen Arzttermin innerhalb der Kernarbeitszeit sein. 

Alles Wichtige rund um die Rechte und Pflichten bei einer Krankmeldung finden Sie hier.

Proaktive Kommunikation

Verpflichtende Vor- oder Nachuntersuchungen bei Schwangeren und Minderjährigen sind meist im Voraus bekannt und kommunizierbar. Akute Gesundheitsbeschwerden hingegen, die einen Arztbesuch während der Arbeitszeit unvermeidbar machen, treten in der Regel ohne Vorlaufzeit auf. Doch auch in solchen Fällen sollte der Arbeitgeber frühestmöglich – und vor allem im Vorfeld – über die Abwesenheit in Kenntnis gesetzt werden. Dies gilt auch beim Arbeiten im Homeoffice.

Sollten verschiedene Praxistermine zur Auswahl stehen und allesamt in die Arbeitszeit fallen, kann zudem die Rücksprache mit Vorgesetzten sinnvoll sein.

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Das A und O: Arztbesuche und Arbeitszeiten flexibel handhaben

Die Erhaltung der Gesundheit besitzt für Arbeitnehmende, Arbeitgeber sowie den Gesetzgeber einen hohen Stellenwert. Damit genügend Spielraum für wichtige Arzttermine während der Arbeitszeit bleibt, bieten sich flexible Arbeitsmodelle an. Und die Softwarelösung von Personio unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung – durch eine zentrale Zeiterfassung und ein transparentes Abwesenheitsmanagement. Testen Sie Personio jetzt 14 Tage kostenlos!

FAQ

Kann der Arbeitgeber einen Arzttermin verweigern?

Erbitten Arbeitnehmer:innen einen Arzttermin während ihrer Arbeitszeit, können Arbeitgeber dies grundsätzlich verweigern. Es bestehen jedoch zahlreiche Ausnahmen – etwa bei akut behandlungsbedürftigen Fällen oder Untersuchungen, die zwangsläufig zu bestimmten Zeiten stattfinden müssen. Auch die Begleitung von pflegebedürftigen Angehörigen oder Kindern kann zu einem Arztbesuch während der Arbeitszeit berechtigen.

Wann zählt ein Arztbesuch als Arbeitszeit?

Sofern ein Arztbesuch notwendig und außerhalb der Arbeitszeit unmöglich oder unzumutbar ist, müssen Mitarbeiter:innen bezahlt freigestellt werden. Dies trifft etwa bei akuten Schmerzen, ausgewählten Untersuchungen von Minderjährigen und Schwangeren sowie bei eingeschränkten Ordinationszeiten zu. Abweichende Regelungen können etwa in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen festgelegt sein. 

Müssen Arbeitnehmer den Arztbesuch im Voraus ankündigen?

Wollen Arbeitnehmer:innen einen notwendigen Arztbesuch während der Arbeitszeit wahrnehmen, müssen sie den Arbeitgeber vorab und frühestmöglich informieren. Das gilt auch, wenn von zu Hause aus gearbeitet wird. Kommen Arbeitnehmer:innen ihrer Informationspflicht nicht nach, kann dies eine Abmahnung oder gar Kündigung rechtfertigen. 

Können Arbeitgeber einen Nachweis über den Arztbesuch verlangen?

Ja, der Arbeitgeber kann von Arbeitnehmer:innen einen Nachweis über den wahrgenommenen Arztbesuch verlangen. Im Idealfall stellen Arbeitgeber dafür eine Vorlage bereit, die von der Ärztin bzw. dem Arzt ausgefüllt wird. Sind Angehörige bzw. Kinder auf die Begleitung zu einem Arzttermin angewiesen, müssen Arbeitnehmer:innen auch dies bescheinigen.

Disclaimer

Praktische Vorlage: Stundenzettel

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