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Außerordentliche Kündigung – Praxistipps und Fallstricke
Die außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters gehört zu den unangenehmsten Aufgaben. Nicht nur, weil es emotional werden kann, sondern vor allem, weil jede Menge arbeitsrechtlicher Fallstricke lauern. Wir haben mit einem Anwalt für Arbeitsrecht gesprochen und geben Tipps für eine wasserdichte außerordentliche Kündigung.
Erstellen Sie rechtssichere Kündigungsschreiben mit dieser Vorlage.Die deutschen Arbeitsgerichte sind gut beschäftigt. Dazu trägt u.a. die drastisch gewachsene Empörungskultur in den sozialen Netzwerken bei. Hauptfokus: Beleidigungen von Vorgesetzten und Kollegen sowie unternehmensschädigende Äußerungen in der Öffentlichkeit. Doch auch Straftaten sind vor dem Arbeitsrichter keine Seltenheit. Bei derart schweren Verstößen reichen Ermahnungen und Abmahnungen nicht mehr aus. Als HR müssen Sie handeln. Eine außerordentliche Kündigung ist die letzte Eskalationsstufe. Arbeitsrechtexperte Dr. Philipp Raben von Osborne Clarke gibt Ihnen wichtige Praxistipps und weist auf Fallstricke hin.
Die außerordentliche Kündigung – was ist das?
Die außerordentliche Kündigung (eigentlich: „außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund“) ist die drastischste Sanktion, mit der ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden kann.
Die außerordentliche Kündigung zeichnet sich durch zwei Merkmale aus:
Sie beendet das Arbeitsverhältnis fristlos, also von einem Tag auf den anderen.
Der Arbeitgeber benötigt für den Ausspruch einen schwerwiegenden „wichtigen“ Grund.
„Schwächer“ als die außerordentliche Kündigung ist die ordentliche fristgemäße Kündigung. Dazu Arbeitsrechtexperte Dr. Philipp Raben: „Sie beendet das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der Kündigungsfrist. Zudem kann sie nicht nur aus verhaltensbedingten Gründen, sondern auch krankheits- oder betriebsbedingt erfolgen.“
Fallstricke bei der außerordentlichen Kündigung vermeiden
Als Arbeitgeber haben Sie beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eine ganze Reihe formaler Voraussetzungen einzuhalten. Orientieren Sie sich einfach am Leitfaden von Dr. Philipp Raben.
Die 1-Wochen-Frist
Sobald Sie als Arbeitgeber einen ersten Verdacht hinsichtlich eines Fehlverhaltens schöpfen, müssen Sie zügig Ermittlungsmaßnahmen einleiten und diese dokumentieren. Wenn Sie nicht über eindeutige Beweise verfügen, sollten Sie den Arbeitnehmer innerhalb einer Woche, nachdem sich der Verdacht konkretisiert hat, anhören. Diese Anhörung kann mündlich oder schriftlich erfolgen.
Der Praxistipp
Je nach Sachverhalt kann eine mündliche oder eine schriftliche Anhörung sinnvoll sein: Die mündliche Anhörung hat den Vorteil des „Überraschungsmoments“. Sie können den Mitarbeiter ohne vorherige Vorbereitung direkt mit den Vorwürfen konfrontieren.
Was Sie auf keinen Fall tun dürfen: den betroffenen Mitarbeiter unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in ein solches Gespräch „locken“. Je komplexer Ihre Vorwürfe sind, desto eher empfehlen wir ist aus Beweisgründen eine schriftliche Anhörung.
Die 2-Wochen-Frist
Nach Abschluss der Ermittlungsmaßnahmen (mit oder ohne Anhörung des Arbeitnehmers, je nach Beweislage) haben Sie als Arbeitgeber zwei Wochen Zeit, die außerordentliche Kündigung zu formulieren und zuzustellen. Gelingt Ihnen die Zustellung innerhalb dieser Frist nicht, ist die außerordentliche Kündigung unwirksam.
Anhörung des Betriebsrats
Falls es in Ihrem Unternehmen einen Betriebsrat gibt, müssen Sie diesen vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung anhören. Der Betriebsrat muss dann innerhalb von drei Tagen eine Stellungnahme abgeben
Der Praxistipp
Warum ist die Betriebsratsanhörung so wichtig? Wenn diese die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Kündigung ohne Weiteres unwirksam. Folgende Informationen müssen Sie dem Betriebsrat stets mitteilen:
Personalien
Sozialdaten
Kündigungsabsicht
Kündigungsart (hier also: außerordentliche fristlose Kündigung)
Kündigungstermin (hier also: mit sofortiger Wirkung)
Sachverhalt, auf den Sie als Arbeitgeber die Kündigung stützen möchte
Interessenabwägung.
Ausspruch und Zustellung der Kündigung
Als Arbeitgeber müssen Sie den Zugang der Kündigung nachweisen. Arbeitsrechtexperte Dr. Philipp Raben empfiehlt ausdrücklich nur zwei Arten der Zustellung.
Übergeben Sie die Kündigung im Beisein eines Zeugen persönlich.
Lassen Sie die Kündigung durch einen Mitarbeiter oder einen Botendienst durch Einwurf in den Briefkasten zustellen.
Der Praxistipp
„Wir empfehlen stets die Verknüpfung einer außerordentlichen Kündigung mit einer hilfsweisen ordentlichen fristgemäßen Kündigung – mit derselben Begründung. So vermeiden Sie, ohne Kündigung dazustehen, wenn Ihre außerordentliche Kündigung aus formalen Gründen unwirksam ist“, erläutert Dr. Philipp Raben. Auch hierzu muss vorher der Betriebsrat angehört werden. In diesem Fall hat er eine Woche Reaktionszeit. Danach sollten Sie die hilfsweise ordentliche Kündigung auf dieselbe Weise wie die ordentliche Kündigung zustellen.
Wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Kenntnis der wesentlichen Gründe kündigen, ist die außerordentliche Kündigung unwirksam!
– Dr. Philipp Raben, Osborne Clarke
Welche „wichtigen Gründe“ rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung?
Die „wichtigen Gründe“ sind neben den bereits genannten Formalien das Kernelement einer erfolgreichen außerordentlichen Kündigung. In der Regel erfolgt diese aus verhaltensbedingten Gründen.
Grundsätzlich müssen Sie vor Aussprache der Kündigung zunächst eine Abmahnung aussprechen. Eine sofortige außerordentliche Kündigung ist nur dann rechtswirksam, wenn dem Mitarbeiter vollkommen klar ist, dass sein (Fehl)Verhalten für den Arbeitgeber inakzeptabel ist. Andernfalls hat die außerordentliche Kündigung erst bei wiederholtem Fehlverhalten des Mitarbeiters eine Chance.
Reicht der wichtige Grund als Begründung für eine außerordentliche Kündigung aus? Zur Beantwortung dieser zentralen Frage muss der Arbeitgeber in jedem Fall eine sogenannte Interessenabwägung durchführen. Diese kann dazu führen, dass bei älteren und bereits länger im Unternehmen beschäftigten Mitarbeitern durchaus strengere Maßstäbe anzulegen sind.
Dies sind typische Verhaltensweisen bzw. Pflichtverstöße, die eine außerordentliche Kündigung begründen können:
Straftaten zulasten des Arbeitgebers, z.B. Diebstahl oder Arbeitszeitbetrug
Straftaten zulasten anderer Mitarbeiter, z.B. Körperverletzung, schwere Beleidigungen, sexuelle Belästigung
Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit
Wiederholtes unentschuldigtes Fehlen nach Abmahnung
Wiederholtes Unterlassen rechtzeitiger Krankmeldung
Wiederholte Arbeitsverweigerung trotz Abmahnung
Verrat von Geschäftsgeheimnissen
Mildere Alternativen zur außerordentlichen Kündigung
Die außerordentliche Kündigung ist der spitzeste Pfeil im Köcher des Arbeitgebers. Nicht immer muss er ihn auf den juristischen Bogen legen. Als milderes juristisches Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung können Sie zunächst eine Abmahnung in Betracht ziehen. Die Abmahnung ist die gelbe Karte – eine Warnung, mit der Sie dem Mitarbeiter klar sagen: Lass das!
Mit einer Abmahnung geben Sie Ihrem Mitarbeiter die Chance, sein Fehlverhalten zu überdenken und in Zukunft zu unterlassen. Somit vermeiden Sie das Risiko eines langen Rechtsstreits mit ungewissem Ausgang. Sollte der Mitarbeiter sein Verhalten nicht ändern, können Sie im Wiederholungsfall (ggf. nach erneuter Abmahnung) kündigen.
Hier Dokumentenvorlage zur Abmahnung herunterladen.Beachten Sie: Das vorher abgemahnte Verhalten und das Verhalten, dass zur Kündigung führt, müssen gleichartig sein. Und: Auch eine Abmahnung wird erst mit Zustellung wirksam!
Der Praxistipp zur Abmahnung
Eine Abmahnung sollte stets wie folgt aufgebaut sein:
Darstellung des zu beanstandenden Fehlverhaltens, das der Abmahnung zugrunde liegt. Hier möglichst genau und sachlich dokumentieren, mit Datum, Ort und Uhrzeit. Abläufe sind chronologisch darzustellen.
Begründung, gegen welche Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen wurde (z.B. Pflicht zur Pünktlichkeit).
Warnung, dass bei erneutem Fehlverhalten arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, bis hin zur Kündigung.
Sonderregelungen bei außerordentlichen Kündigungen
Für folgende Personengruppen gelten besondere Schutzregelungen bei außerordentlichen Kündigungen:
Mitglieder des Betriebsrats: Hier ist eine außerordentliche Kündigung nur mit vorheriger Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Das gilt auch für „aktive“ Ersatzmitglieder, also solche, die zum Zeitpunkt der Kündigung gerade Betriebsratsaufgaben wahrnehmen.
Schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Mitarbeiter: Hier ist vor der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich. Das Procedere ist überaus kompliziert und fehleranfällig.
Mitarbeiter in Elternzeit: Eine außerordentliche Kündigung ist hier grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmsweise ist eine außerordentliche Kündigung aus besonderem Grund zulässig, hierfür ist jedoch die Zustimmung der zuständigen Behörde erforderlich (z.B. in Berlin das LAGetSi, in München das Gewerbeaufsichtsamt Oberbayern).
Mitarbeiter in Pflegezeit: Hier gelten dieselben Voraussetzungen wie für Mitarbeiter in Elternzeit.
Auszubildende: Azubis können nach Ende der Probezeit vom Arbeitgeber nur außerordentlich fristlos gekündigt werden.
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