Betriebliche Übung: Definition, Ansprüche und Pflichten

Betriebliche Übung: Alle Fakten
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Gemeinsames Morgen-Yoga oder ein Fußballspiel unter Kolleg:innen? Das ist mit einer „betrieblichen Übung“ eher nicht gemeint. Wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden wiederholt freiwillige Leistungen gewähren, entsteht nach einer gewissen Zeit ein rechtlicher Anspruch. Klingt komplex? Wir schlüsseln den Sachverhalt für Sie auf.

In diesem Artikel erfahren Sie, was es mit diesen vertraglich nicht vereinbarten Extraleistungen auf sich hat, welche rechtliche Grundlage es dafür gibt und welche Pflichten und Rechte die Betriebsübung mit sich bringt.

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Was ist eine betriebliche Übung?

Betriebliche Übung bedeutet, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden wiederholt freiwillige Leistungen gewähren. Nach einer gewissen Zeit entsteht ein rechtlicher Anspruch der Mitarbeitenden darauf, dass diese Leistung weiterhin gewährt wird, obwohl sie nie ausdrücklich vereinbart wurde.

Umgangssprachlich bezeichnet man die betriebliche Übung oder Betriebsübung als „Gewohnheitsrecht“. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist das freiwillig gezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Eine betriebliche Übung entsteht nur bei Leistungen, die weder vertraglich vereinbart noch vorgeschrieben sind, etwa im Arbeitsgesetz, in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung. Durch die wiederholte Gewährung einer Leistung wird sie stillschweigend zum Teil des Arbeitsvertrages von Mitarbeitenden.

Rechtliche Grundlage der Betriebsübung

Die Betriebsübung wird zwar keinem Gesetz erwähnt, doch sie wurde durch verschiedene Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) festgestellt und bestätigt.

Sie beruht auf zwei Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Erstens, dass Verträge auch ohne explizite Erklärungen geschlossen werden. Zweitens, dem Prinzip von Treu und Glauben, dass sich die Vertragspartner nach der „Verkehrssitte“ verhalten.

Angewandt auf die betriebliche Übung bedeuten diese Grundsätze: Durch die wiederholte Gewährung und Annahme einer Leistung schließen Arbeitgeber und -nehmende sozusagen einen Vertrag. Nach einer gewissen Zeit wird dadurch bei Arbeitnehmenden das Vertrauen darauf erzeugt, dass sie diese Leistung dauerhaft erhalten werden – daraus entsteht schließlich der Rechtsanspruch.

Wichtig: Eine Leistung kann nur zur betrieblichen Übung werden, wenn sie einer Vielzahl oder zumindest einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmenden gewährt wird. Bekommen nur einzelne Personen etwa eine Vergünstigung oder einen Zuschuss, kann daraus kein Rechtsanspruch abgeleitet werden.

Welche Rechte haben Arbeitnehmer:innen?

Das BAG hat mehrfach entschieden, dass nach mindestens drei Jahren Wiederholung eine betriebliche Übung entsteht. Praktisch haben Mitarbeitenden im vierten Jahr Anspruch auf eine Fortführung der Leistung. Diesen Rechtsanspruch können sie vor Gericht einklagen.

Betriebliche Übung: Ansprüche

Welche Beispiele gibt es für eine Betriebsübung?

In der Regel handelt es sich bei betrieblichen Übungen um finanzielle Leistungen; aber nicht zwingend. Gängige Beispiele sind:

  • Sonderzahlungen, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ein 13. Monatsgehalt oder Bonuszahlungen abhängig vom Unternehmensergebnis

  • Zuschüsse zu Verpflegung, Fahrtkosten, ÖPNV-Tickets oder Gesundheitsmaßnahmen (Das Morgen-Yoga könnte als doch eine betriebliche Übung sein; siehe oben.)

  • Beiträge zur Altersvorsorge

  • Kostenübernahme von Fortbildungen

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Wenn Unternehmen Tarifverträge freiwillig für Ihre Mitarbeiter anwenden, kann daraus eine betriebliche Übung entstehen.

Theoretisch gilt das auch für die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, oder auf Arbeitszeitmodelle wie Gleitzeit – jedoch sind solche Punkte meist konkret vertraglich geregelt. Wenn Mitarbeitende jedoch ohne explizite Vereinbarung während der Corona-Pandemie im Homeoffice gearbeitet haben, reicht das nicht für eine Betriebsübung. Arbeitgeber dürfen die Rückkehr ins Büro anordnen.

Können Arbeitgeber eine betriebliche Übung verhindern?

Unternehmen können wirksam verhindern, dass bestimmte Leistungen zu einer betrieblichen Übung werden. Dafür gibt es zwei Wege:

Erste Methode: Indem sie eine Leistung nicht regelmäßig gewähren; zum Beispiel, indem sie das Weihnachtsgeld alle drei Jahre aussetzen. Wahrscheinlich wird eine solche Maßnahme bei den Mitarbeitenden auf Unverständnis stoßen; deshalb ist sie nicht empfehlenswert.

Wenn die Höhe von Zahlungen jedes Jahr schwankt, gilt das übrigens nicht als Unterbrechung. Angenommen, ein Unternehmen zahlt jährlich einen Erfolgsbonus an alle Mitarbeitenden aus; die Höhe ist abhängig vom Unternehmensgewinn. Nach drei Jahren ergibt sich die betriebliche Übung. Macht das Unternehmen im vierten Jahr Verlust, darf es die Bonuszahlung zwar aussetzen (praktisch eine Zahlung von Null Euro). Sobald jedoch wieder Gewinne fließen, ist der Bonus verpflichtend.

Zweite und bessere Methode: durch Aufnahme eines Passus in die Arbeitsverträge; nämlich durch einen sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt. Wörtlich besagt er oft, dass eine Leis­tung „oh­ne An­er­ken­nung ei­ner Rechts­pflicht“ er­fol­ge oder die Gewährung „kei­nen Rechts­an­spruch für die Zu­kunft be­gründen“ sol­le.

Allerdings kann die betriebliche Übung nicht pauschal durch eine Generalklausel im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden. Der Freiwilligkeitsvorbehalt muss sich stets auf eine konkrete Leistung beziehen.

Wie können Arbeitgeber eine betriebliche Übung rückgängig machen?

Können Arbeitgeber eine zur Betriebsübung gewordene Leistung wieder abschaffen? Die kurze Antwort lautet: Nein, wenn die Mitarbeitenden nicht mitspielen. Wie bereits besprochen, werden betriebliche Übungen einer vertraglichen Regelung gleichgestellt. Und Arbeitsverträge lassen sich nicht einseitig ändern. Das geht nur einvernehmlich, oder durch Kündigung.

Arbeitgebern bliebe nichts anderes übrig, als allen Mitarbeitenden eine Änderungskündigung auszusprechen; also alle Arbeitsverträge zu kündigen und neue mit geänderten Regelungen anzubieten. Das wird kein Unternehmen wollen: wahrscheinlich würden einige Mitarbeitende gehen; und die restlichen wären wenig motiviert, sich für ihren Arbeitgeber voll einzusetzen.

Auch der Betriebsrat kann eine betriebliche Übung nicht abschaffen, ebenso wenig hilft eine neue Betriebsvereinbarung. Vertrag bleibt Vertrag. Wenn Unternehmen wirtschaftlich in Not geraten, bleibt ihnen nur ein realistischer Weg: Sich mit den Mitarbeitenden zusammenzusetzen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Oft sind treue Mitarbeitende bereit, auf Extraleistungen zu verzichten, um die Arbeitsplätze zu erhalten – zumindest so lange, bis es dem Unternehmen wieder besser geht.

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