Der Bradford Faktor: Berechnung und Aussagekraft

Ist in Unternehmen ein hoher Krankenstand an der Tagesordnung, besteht akuter Handlungsbedarf. Doch um überhaupt Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, muss der Fehlstand zunächst einmal auffallen. Dafür nutzt man den sogenannten Bradford-Faktor – einen Indikator für häufige Fehlzeiten von Arbeitnehmer:innen. Im Folgenden klären wir, wie der Bradford-Faktor funktioniert, wie er berechnet wird und welche Maßnahmen Unternehmen treffen können, um die Krankheitsfälle von Mitarbeitenden zu reduzieren.

Key Facts

  • Der Bradford-Faktor ist ein Indikator für die Wahrscheinlichkeit von vorsätzlichen Krankheitstagen einzelner Mitarbeiter:innen. Je höher die ermittelte Punktzahl, desto wahrscheinlicher liegen Fehltage ohne tatsächliche Erkrankung vor.

  • Bei hohen Bradford-Scores im Unternehmen sollten sich Verantwortliche auf die Suche nach den Gründen begeben. Es handelt sich nur selten um einen Kündigungsgrund, sondern vielmehr um ein Symptom für unternehmens- oder abteilungsinterne Probleme.

  • Zur Verbesserung des Bradford-Scores können disziplinarische Maßnahmen ergriffen oder das allgemeine Betriebsklima gefördert werden.

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Was ist der Bradford-Faktor?

Die Entwicklung des Bradford-Faktors in den 80er-Jahren geht auf Wissenschaftler:innen der Bradford University School of Management in Nordengland zurück. Der Bradford-Faktor ist das Ergebnis einer Formel, die die Krankheitsfälle von Angestellten mit der Gesamtzahl an Krankheitstagen verrechnet. Mithilfe des ermittelten Bradford-Scores können Unternehmen eine erste Einschätzung treffen, ob Mitarbeitende allem Anschein nach eher krankheitsbedingt oder vorsätzlich fehlen.

Hinweis: Das vorsätzliche Fernbleiben vom Arbeitsplatz wird als Absentismus bezeichnet (umgangssprachlich „Krankfeiern“ bzw. „Blaumachen“). Das Gegenteil ist der Präsentismus – also das Arbeiten trotz Krankheit. Das Statistische Bundesamt kam 2009 zu dem Schluss, dass die Kosten für Präsentismus im Vergleich zu denen von Absentismus etwa doppelt so hoch sind.

Wie berechnet man den Bradford-Score?

Die Formel zur Ermittlung des Bradford-Scores lautet:

S² × D = B

S (Spells) entspricht der Anzahl der Abwesenheitsfälle

D (Days) entspricht der Gesamtanzahl der Abwesenheitstage

B repräsentiert den Bradford-Faktor

Nach der Berechnung des Faktors folgt die Auswertung nach der Regel: Je höher der Bradford-Score – also die ermittelte Punktzahl – ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer stress- oder motivationsbedingten Fehlzeit von Mitarbeiter:innen.

Bradford Factor Calculator

Bradford-Score: Beispiel

Laut dem Statistischen Bundesamt waren Arbeitnehmende im Jahr 2022 durchschnittlich 15 Tage krank. Folgende Annahme: Ein Unternehmen beschäftigte 2022 drei Mitarbeiter:innen A, B und C. Alle drei wiesen jeweils 15 Krankheitstage auf; die jeweilige Krankheitsdauer variierte jedoch. Mitarbeiter:in A fehlte nur einmal, B viermal und C insgesamt sechsmal. Daraus ergibt sich für alle Mitarbeiter:innen ein anderer Bradford-Score:

Bradford-Score für A: 1 × 1 × 15 = 15

Bradford-Score für B: 4 × 4 × 15 = 240

Bradford-Score für C: 6 × 6 × 15 = 540

Was ist ein „guter“ oder „schlechter“ Bradford-Score?

Zur Einschätzung des Bradford-Scores nutzt man sogenannte Trigger- bzw. Schwellenpunkte. Die Festlegung der Grenzwerte ist dabei grundsätzlich frei wählbar und kann beispielsweise wie folgt aussehen:

Bradford-Score

Interpretation

0–200

unauffällig

201–450

Absentismus möglich, Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen prüfen

451 und mehr

Absentismus wahrscheinlich, Gegenmaßnahmen ergreifen

Wie können unterschiedliche Bradford-Scores bewertet werden?

Unternehmen sollten intern evaluieren, welche Triggerpunkte sinnvollerweise zu wählen sind. Damit eine verlässliche HR-Metrik bezüglich der Fehlzeiten entstehen kann, müssen insbesondere die unternehmerischen Rahmenbedingungen mit einfließen. Zu berücksichtigen ist, dass der Bradford-Score bei vielen einzelnen Krankheitsfällen besonders stark ausschlägt. Dieser Umstand geht beispielsweise darauf zurück, dass Mitarbeitende mit vielen Krankheitsfällen pro Jahr meist kürzere Fehlzeiten pro einzelner Abwesenheit haben und dies ein starkes Indiz für Absentismus darstellt. Zudem sind häufige kurze Fehlzeiten für viele Unternehmen mitunter disruptiver als einzelne längere Erkrankungen.

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Bradford-Faktor: Wie aussagekräftig ist er?

Da der Bradford-Faktor lediglich die Fehltage und die Gesamtzahl der Krankheitsfälle berücksichtigt, ist seine Aussagekräftigkeit eingeschränkt. Er ist somit in erster Linie als Indikator anzusehen. Fallen einzelne Mitarbeitende oder Abteilungen durch hohe Punktzahlen auf, lässt sich erst nach einer detaillierten Untersuchung validieren, ob es sich um Absentismus oder tatsächliche Krankheitsfälle handelt.

Bradford-Faktor: Gibt es rechtliche Rahmenbedingungen?

Arbeitgeber, die den Bradford-Faktor im Unternehmen nutzen, benötigen dafür die Zustimmung des Betriebsrates und eine Betriebsvereinbarung. Die Betriebsvereinbarung sollte mindestens folgende Punkte schriftlich klären:

  • angemessene Triggerpunkte

  • Betrachtungszeitraum

  • disziplinarische Konsequenzen beim Übersteigen der Schwellenwerte

  • Bestimmung der Krankheitstage (Kalendertage oder Arbeitstage)

  • Sonderregelungen, z. B. für Teilzeitmitarbeiter:innen mit weniger Gesamtarbeitstagen

Wie können Sie die Bradford-Scores Ihrer Mitarbeiter:innen verbessern?

Nicht selten erweist sich der Bradford-Score als Spiegel der Unternehmenskultur, weil er mitunter auf unternehmensinterne Probleme hinweist – insbesondere, wenn es nicht nur um  Einzelfälle geht, sondern ein größerer Teil der Belegschaft oder einer Abteilung betroffen ist.

Um den Bradford-Score zu verringern, sollte verstärkt auf die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeiter:innen geachtet werden. Gleichzeitig sollten weitere mögliche Gründe für Absentismus aufgedeckt und beseitigt werden. Dazu zählen unter anderem:

  • private oder familiäre Umstände

  • Probleme mit Vorgesetzten und/oder Kolleg:innen

  • Unzufriedenheit oder Stress am Arbeitsplatz

  • Über- oder Unterforderung

  • unzureichende Wertschätzung

Im Wesentlichen existieren zwei Arten von geeigneten Gegenmaßnahmen: einerseits disziplinarische Schritte und andererseits gezielte Maßnahmen zur Steigerung bzw. Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit, Steigerung der Motivation und Verbesserung des Betriebsklimas. Mögliche Schritte beinhalten beispielsweise:

Abwesenheitsmanagement: der ganzheitliche Blick

Eine zentrale Aufgabe der Personalabteilung stellt das sogenannte Abwesenheitsmanagement dar. Dieses umfasst das Aufzeichnen und Verwalten von Krankheits- sowie Urlaubstagen – und allen weiteren Abwesenheitstagen wie Schwangerschaft, Elternzeit und beruflich veranlassten Absenzen. 

Für einen optimalen Überblick bietet sich der Einsatz einer Software an, die in der Lage ist, sämtliche relevanten Daten zu speichern und übersichtlich darzustellen. Genau dazu dient die Abwesenheitsverwaltung von Personio als Teil unserer ganzheitlichen HR-Lösung. Sie sehen auf einen Blick, wer aus welchen Gründen fehlt, und auch weiterführende Analysen, wie die Ermittlung des Bradford-Scores, sind ruckzuck in die Wege geleitet. Erfahren Sie mehr in einem unverbindlichen Erstgespräch! 

FAQ

Wie funktioniert die Bradford-Skala?

Zunächst werden drei verschiedene Wertebereiche definiert. Arbeitnehmer:innen mit einem Bradford-Score im tiefsten Wertebereich sind unauffällig. Bei Werten im mittleren Wertebereich ist Absentismus zumindest möglich und im höchsten definierten Bereich ist er sogar wahrscheinlich.

Was ist ein guter Bradford-Faktor?

Die Interpretation des Bradford-Faktors ist nicht in Stein gemeißelt. Der typische Schwellenwert für einen guten Bradford-Score ist 45 bzw. 200.

Kann der Bradford-Faktor zur Mitarbeiterbewertung verwendet werden?

Der Bradford-Score kann nur bis zu einem gewissen Grad zur Bewertung von Mitarbeiter:innen hinzugezogen werden. Vorrangig stellt er die Krankheitszeiten auf einer beliebig festgelegten Skala dar. Dabei gilt: Je höher die Punktzahl ausfällt, desto wahrscheinlicher ist von Absentismus auszugehen.

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