Neueste Beiträge
Schwellenwerte: Rechte und Pflichten von Arbeitgebern
Sobald Sie eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitenden – und damit einhergehend konkrete arbeitsrechtliche Schwellenwerte – erreichen, ändern sich Ihre Rechte und Pflichten als Arbeitgeber. Wachsende Mitarbeiterzahlen haben Auswirkungen auf unterschiedliche Bereiche, wie etwa auf den Kündigungsschutz oder die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.
Erfahren Sie in diesem Artikel, was es beim Erreichen bestimmter Schwellenwerte zu beachten gibt und welche Konsequenzen bei Missachtung drohen.
Key Facts
Gesetzliche Schwellenwerte beeinflussen die Pflichten von Arbeitgebern in Abhängigkeit von ihrer Mitarbeiterzahl.
Die Bestimmung der Schwellenwerte im Arbeitsrecht mitsamt ihren Kriterien variiert je nach Gesetz.
Manche Schwellenwerte gelten pro Betrieb, andere hingegen für das gesamte Unternehmen.
Unternehmen sollten das Erreichen spezifischer Schwellenwerte durch regelmäßige Überprüfungen im Auge behalten.
Inhalt
- 1Was sind Schwellenwerte im Arbeitsrecht?
- 2Wie bestimmt man Schwellenwerte in Unternehmen?
- 3Übersicht wichtiger Schwellenwerte im Arbeitsrecht
- 4Herausforderung bei der Bestimmung der Schwellenwerte im Unternehmen
- 5Welche Konsequenzen gibt es, wenn Unternehmen Schwellenwerte ignorieren?
- 6Bei der Personalplanung immer einen Schritt voraus
- 7FAQ
Was sind Schwellenwerte im Arbeitsrecht?
Mit Schwellenwerten im arbeitsrechtlichen Kontext beziffert man Grenzwerte in Bezug auf die Mitarbeiterzahl, ab deren Erreichung bestimmte gesetzliche Vorgaben zu erfüllen sind. Auf diese Weise legt der Gesetzgeber den Unternehmen Pflichten auf, die dem Schutz der Beschäftigten dienen. Da derartige Vorgaben mit mehr oder weniger Aufwand verbunden sind, wird die Belastung für all diejenigen Unternehmen vermindert, die die entsprechenden Schwellenwerte unterschreiten.
Wie bestimmt man Schwellenwerte in Unternehmen?
Kurzum: Es existiert keine einheitliche oder allgemeingültige Formel. Zunächst ist für das Verständnis entscheidend: Schwellenwerte ergeben sich aus verschiedenen Gesetzen. Ob und welche Mitarbeitende bei der Berechnung der Schwellenwerte berücksichtigt werden, muss für jeden Fall individuell betrachtet werden. Sinnvoll ist es jedoch, auf folgende drei Kriterien sein besonderes Augenmerk zu legen:
Arbeitnehmende
Betrieb versus Unternehmen
Betrachtungszeitraum
1. Schwellenwert-Kriterium: Arbeitnehmende
Üblicherweise fließen Arbeitnehmende in Vollzeit mit dem Faktor 1 in die Berechnung ein. In manchen Gesetzestexten sind die in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmenden mit einem geringeren Faktor zu zählen, beispielsweise im Kündigungsschutzgesetz (§ 23 KSchG). Der Faktor orientiert sich am regelmäßig geschuldeten Arbeitsumfang, sodass Arbeitnehmende mit einer halben Stelle entsprechend mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt werden.
Bei Praktikant:innen und Werkstudierenden kommt es im Einzelfall darauf an, inwieweit sie Tätigkeiten übernehmen, die mit denen von regulären Arbeitnehmenden vergleichbar sind. Kommt etwa ein:e Praktikant:in gewöhnlichen Arbeitspflichten nach – statt dass die Ausbildung im Vordergrund steht –, handelt es sich in der Regel um eine:n Arbeitnehmende:n.
Lesetipp: Werkstudentenverträge: alles Wichtige auf einen Blick
Freie Mitarbeitende hingegen, die aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages tätig werden, bleiben bei der Berechnung grundsätzlich außer Betracht.
Doch Vorsicht: Wenn sie mehrheitlich für ein und dasselbe Unternehmen arbeiten, liegt möglicherweise eine Scheinselbstständigkeit vor. In diesem Fall sind freie Mitarbeitende tatsächlich als Arbeitnehmende mitzuzählen.
2. Schwellenwert-Kriterium: Betrieb versus Unternehmen
Zunächst ist zu klären, ob es sich um ein Unternehmen oder einen Betrieb handelt.
Ein Unternehmen ist – vereinfacht gesagt – der übergeordnete Rahmen für die wirtschaftliche Betätigung, sprich der Ort, an dem vor allem Richtungsentscheidungen getroffen und Pläne ausgearbeitet werden.
Bei der Bestimmung des Betriebs muss man im Zweifel sehr genau hinschauen: Ein Betrieb ist der Ort, an dem die im Unternehmen getroffenen Richtungsentscheidungen und Pläne tatsächlich von den Mitarbeitenden umgesetzt werden. Wenn ein Gesetz vom „Arbeitgeber“ spricht, ist im Regelfall das Unternehmen gemeint. Oftmals sind größere Unternehmen in mehrere Betriebe untergliedert.
Bei der Berücksichtigung von Schwellenwerten verhält es sich je nach Gesetz unterschiedlich: Für einige Schwellenwerte müssen die Mitarbeitenden des gesamten Unternehmens miteinbezogen werden. Andere Schwellenwerte wiederum orientieren sich lediglich an den Mitarbeitenden des einzelnen Betriebs.
3. Schwellenwert-Kriterium: Betrachtungszeitraum oder Stichtag
Vereinzelte Gesetze beziehen sich bei der Festlegung des Schwellenwerts auf die Anzahl der Beschäftigten an einem konkreten Stichtag. Meist jedoch ist die Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmenden ausschlaggebend, was gewissermaßen einem Durchschnittswert entspricht.
Beispiel: „In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer [...] beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des [...]“ (§ 23 KSchG).
Übersicht wichtiger Schwellenwerte im Arbeitsrecht
Schwellenwerte müssen nicht umgesetzt werden, sondern sie greifen ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl. In dieser Tabelle haben wir für Sie einige der wichtigsten Schwellenwerte zusammengefasst.
Die nachfolgende Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine rechtliche Beratung. Nutzen Sie die Tabelle aus diesem Grund für eine erste Übersicht. Prüfen Sie aber für Ihren Einzelfall, welche Bestimmungen gelten.
Wichtige Informationen zum Betriebsrat
Der Betriebsrat steht in mehrfacher Hinsicht mit Schwellenwerten in Verbindung.
Zunächst ist ab einer Anzahl von fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmenden im Betrieb die Wahl eines Betriebsrats überhaupt erst möglich.
Weiterhin existieren Schwellenwerte, die das Ausmaß der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats regeln. Diese erstrecken sich auf Maßnahmen wie Einstellung, Versetzung und Kündigung von Arbeitnehmenden.
Auch die Größe des Betriebsrats, also die Anzahl der Betriebsratsmitglieder, orientiert sich an der Beschäftigtenzahl. In Betrieben, die zwischen 5 und 20 (wahlberechtigte) Arbeitnehmende beschäftigen, besteht der Betriebsrat zum Beispiel aus einer Person; in Betrieben mit 21 bis 50 Arbeitnehmenden bilden 3 Mitglieder den Betriebsrat.
Ab einer gewissen Anzahl von Beschäftigten können Betriebsratsmitglieder zudem von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt werden. Die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder steigt ebenfalls mit der Betriebsgröße. Die genauen Schwellenwerte sind in § 9 („Zahl der Betriebsratsmitglieder“) und § 38 („Freistellungen“) des Betriebsverfassungsgesetzes festgelegt.
Wichtige Informationen zum Kündigungsschutz
Ob in einem Betrieb das Kündigungsschutzgesetz zu beachten ist, wird ebenfalls durch einen Schwellenwert bestimmt. Ab einer Anzahl von mehr als 10 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmenden ist das KSchG anwendbar, was für den Arbeitgeber weitreichende Einschränkungen zur Folge hat. Der Arbeitgeber eines Betriebs mit Kündigungsschutz kann ein Anstellungsverhältnis beispielsweise nur dann ordentlich kündigen, wenn dies sozial gerechtfertigt ist. In Betracht kommen daher lediglich (außerordentliche) personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Kündigungen.
Herausforderung bei der Bestimmung der Schwellenwerte im Unternehmen
Zahlreiche Gesetze enthalten Schwellenwerte, die je nach Formulierung für Betriebe oder Unternehmen zu beachten sind. Neben der korrekten Interpretation der genannten Kriterien besteht die größte Schwierigkeit darin, sämtliche relevanten Schwellenwerte rechtzeitig vor ihrer Erreichung einzuplanen.
Empfehlenswert ist es, eine:n Mitarbeitende:n aus der Personalabteilung oder der Rechtsabteilung mit der Aufgabe zu betrauen, sämtliche potenziell relevanten Schwellenwerte zu beobachten und deren Erreichung regelmäßig zu prüfen. Auch etwaige Gesetzesänderungen sollte man im Blick behalten. In Absprache mit dem Management sowie dem Betriebsrat können auf diese Weise rechtzeitig die notwendigen Schritte in die Wege geleitet werden.
Welche Konsequenzen gibt es, wenn Unternehmen Schwellenwerte ignorieren?
Die Missachtung von Schwellenwerten in einem Betrieb oder Unternehmen kann Bußgelder nach sich ziehen, die je nach Schwellenwert bzw. gesetzlicher Grundlage unterschiedlich ausfallen. Die folgenden Beispiele veranschaulichen dies:
Beispiel 1: Spätestens ab einer Zahl von 10 Beschäftigten sind Sie dazu verpflichtet, einen Pausenraum zu stellen. (Eine Ausnahme: Die Arbeitsräume bieten gleichwertige Voraussetzungen für eine Erholung während der Pause.) Wenn bei einer Kontrolle festgestellt wird, dass die geforderten Räumlichkeiten zur Erholung fehlen, droht ein Bußgeld in Höhe von 600 Euro.
Beispiel 2: Wird innerhalb von 30 Tagen eine gewisse Anzahl von Mitarbeitenden entlassen, ist der Arbeitgeber nach § 17 KschG dazu verpflichtet, dies in Form einer Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen. In Bezug auf die genauen Schwellenwerte existiert eine Staffelung, die abhängig von der Betriebsgröße ist (§ 17 Abs. 1). Unterlässt der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige, sind die Kündigungen unwirksam. Die Folge: Betroffene Mitarbeitende haben weiterhin Anspruch auf ihr Arbeitsentgelt.
Bei der Personalplanung immer einen Schritt voraus
Bereits für kleine Unternehmen mit wenigen Mitarbeitenden sind Schwellenwerte relevant, etwa wenn es um die Wahl eines Betriebsrats, den Kündigungsschutz oder die Einrichtung von Pausenräumen geht. Diverse gesetzliche Bestimmungen verlangen vom Arbeitgeber, ab bestimmten Beschäftigtenzahlen gewisse Rechte der Belegschaft zu berücksichtigen oder Maßnahmen zum Arbeitnehmerschutz zu treffen.
Damit relevante Schwellenwerte rechtzeitig eingeplant werden können, ist eine exakte Personalerfassung und vorausschauende Personalplanung von großer Wichtigkeit. Die Software von Personio erleichtert HR-Verantwortlichen mithilfe von Berichts- und Analysefunktionen, relevante Mitarbeitenden- und Personalkennzahlen jederzeit im Auge zu behalten. Testen Sie Personio jetzt 14 Tage kostenlos.
FAQ
Wie werden Teilzeitkräfte bei der Berechnung von Schwellenwerten berücksichtigt?
Für manche Schwellenwerte werden Teilzeitkräfte in gleicher Weise wie Vollzeitkräfte gezählt, etwa bei der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmenden gemäß Betriebsverfassungsgesetz. Einige Gesetze sehen jedoch vor, dass Teilzeitkräfte anhand eines Faktors < 1 in die Berechnung einfließen, z. B. das Kündigungsschutzgesetz (§ 23 Geltungsbereich) und das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen): Bei bis zu 20 Wochenstunden gilt der Faktor 0,5 und bei bis zu 30 Wochenstunden der Faktor 0,75.
Was passiert, wenn ein Unternehmen einen Schwellenwert nur vorübergehend überschreitet?
Wenn Betriebe oder Unternehmen einen Schwellenwert überschreiten, kommt es mitunter vor, dass die Beschäftigtenzahl kurz darauf erneut unter diesen Wert sinkt. Ob im Fall der Überschreitung eine Übergangsfrist gilt oder die Schwellenwertregelung sofort in Kraft tritt, hängt vom spezifischen Gesetz ab.
Gelten die Schwellenwerte auch für Start-ups und kleine Unternehmen?
Schwellenwerte gelten grundsätzlich für sämtliche Unternehmen und somit auch für Start-ups bzw. Kleinbetriebe. Dabei ist lediglich der genannte Schwellenwert maßgeblich und das Alter der Organisation unerheblich.
Wie werden Leiharbeiter:innen bei der Berechnung der Schwellenwerte berücksichtigt?
Ob Leiharbeiter:innen bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl einzubeziehen sind, kann nicht pauschal beantwortet werden. Dies unterscheidet sich je nach Gesetz bzw. Rechtsprechung.
Können Arbeitgeber Schwellenwerte durch Aufspaltung des Unternehmens umgehen?
Dass Unternehmen durch Aufspaltung in mehrere kleinere Gesellschaften einen Schwellenwert unterschreiten bzw. gar nicht erst erreichen, ist kein legitimer Umgehungsversuch. Der Gesetzgeber hat dahingehend arbeitsrechtliche Vorkehrungen getroffen, um dies zu verhindern.
Wie oft sollten Unternehmen ihre Mitarbeiterzahl in Bezug auf Schwellenwerte überprüfen?
Es ist empfehlenswert, in Bezug auf die Personalsituation mindestens quartalsweise Bilanz zu ziehen, um das (in Kürze anstehende) Erreichen von Schwellenwerten zu prüfen. Für Unternehmen mit besonders häufigem Personalwechsel kann diese Maßnahme in noch kürzeren Intervallen angebracht sein.
Disclaimer
Wir machen darauf aufmerksam, dass unser Web-Angebot lediglich dem unverbindlichen Informationszweck dient und keine Rechtsberatung im eigentlichen Sinne darstellt. Der Inhalt dieses Angebots kann und soll eine individuelle und verbindliche Rechtsberatung, die auf Ihre spezifische Situation eingeht, nicht ersetzen. Insofern verstehen sich alle angebotenen Informationen ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Die Inhalte unserer Internetseite – vor allem die Rechtsbeiträge – werden mit größter Sorgfalt recherchiert. Dennoch kann der Anbieter keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Informationen übernehmen. Die Informationen sind insbesondere auch allgemeiner Art und stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Zur Lösung von konkreten Rechtsfällen konsultieren Sie bitte unbedingt einen Rechtsanwalt.