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Sonderurlaub: Wann Mitarbeitende Anspruch haben
Vier Hochzeiten und ein Todesfall: Für Personalmanager:innen mit einem Stapel von Sonderurlaubsanträgen auf dem Schreibtisch klingt der Titel der britischen Filmkomödie wohl eher nach einem Gruselfilm. Doch kein Grund, in Panik auszubrechen: Wir verraten, was es mit dem Sonderurlaub auf sich hat und welche Situationen diesen rechtfertigen können.
Key Facts:
In ausgewählten Fällen haben Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit, Sonderurlaub zu beantragen. Dieser wird zusätzlich zu den regulären Urlaubstagen gewährt und geht mit einer Fortzahlung des Entgelts trotz ausbleibender Arbeitsleistung einher.
Der Anspruch auf Sonderurlaub ist gesetzlich nicht konkret geregelt.
Laut § 616 BGB besteht dann ein Anrecht auf Sonderurlaub, wenn Arbeitnehmende durch einen in ihrer Person liegenden Grund unverschuldet vorübergehend nicht in der Lage sind, ihren Arbeitspflichten nachzukommen.
Im TVöD werden konkreten Situationen jeweils eine festgelegte Anzahl an Sonderurlaubstagen zugewiesen.
Was ist Sonderurlaub?
„Sonderurlaub“ ist kein Begriff, den Sie im Gesetzbuch finden. Vielmehr handelt es sich um eine umgangssprachliche Formulierung mit variierender Bedeutung.
Mit „Sonderurlaub“ bezeichnet man in der Regel eine der Fallgruppen, in denen das deutsche Arbeitsrecht eine Ausnahme vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ macht und somit den Arbeitgeber zur Entgeltzahlung verpflichtet, obwohl der/die Arbeitnehmer:in nicht arbeitet.
Gesetzlicher Sonderurlaub: Wer hat Anspruch?
Während der Anspruch von Mitarbeitenden auf jährlichen (Erholungs-)Urlaub im Tarif- bzw. Arbeitsvertrag eindeutig geregelt ist, wird der Sonderurlaub bei Bedarf zusätzlich gewährt.
Sonderurlaub ergibt sich dabei grundlegend aus der Bestimmung des § 616 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und stellt eine besondere Form der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dar. Beispielsweise soll Arbeitnehmenden, die von einem schweren Schicksalsschlag getroffen wurden, auf diese Weise Raum und Zeit gegeben werden, um den Schock im Ansatz emotional zu verarbeiten und um unaufschiebbare organisatorische Aufgaben wahrnehmen zu können.
In der Theorie haben alle Arbeitnehmenden Anspruch auf Sonderurlaub. Wann es ihn gibt und wie viele Sonderurlaubstage in welchem Fall bewilligt werden, hängt in der Praxis jedoch oftmals von der individuellen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer:in ab.
Lesetipp: Urlaubsanspruch berechnen – so funktioniert’s!
Voraussetzungen für Sonderurlaub
§ 616 BGB sieht die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Entgelts unter bestimmten Voraussetzungen vor. Gemäß § 616 Satz 1 BGB bleibt der Vergütungsanspruch von Arbeitnehmer:innen immer dann erhalten, wenn diese „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert sind“.
§ 616 BGB listet nicht ausdrücklich auf, wann der Arbeitgeber zum Gewähren eines Sonderurlaubs verpflichtet ist. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat sich allerdings eine Reihe von Fällen herausgebildet, in denen die Anwendung des § 616 BGB grundsätzlich einheitlich beurteilt wird. In diesen Fällen kann man also von einer Pflicht des Arbeitgebers zur Freistellung von Arbeitnehmer:innen unter Fortzahlung des Entgelts ausgehen.
Hierzu zählen Situationen wie:
familiäre Ereignisse, bei denen die Anwesenheit des/der Mitarbeitenden als unbedingt erforderlich angesehen wird sowie
persönliche Unglücksfälle, wie zum Beispiel ein Wohnungsbrand oder ein Verkehrsunfall.
Natürlich sind auch andere Fälle vorstellbar, in denen Mitarbeiter:innen einen Anspruch auf den sogenannten Sonderurlaub geltend machen können. Es ist daher immer eine Prüfung im Einzelfall erforderlich.
Verschiedene Anlässe für Sonderurlaub: Was ist zu beachten?
Sonderurlaub kann aus verschiedenen Gründen und in unterschiedlichen Lebenslagen beantragt werden. Im Folgenden werden konkrete Fälle und Anlässe dargelegt, die eine Beantragung von Sonderurlaub begründen können.
Fall 1: Sonderurlaub bei familiären Ereignissen
Bei folgenden familiären Ereignissen haben Mitarbeiter:innen gemäß aktueller Rechtsprechung grundsätzlich Anspruch auf Sonderurlaub:
eigene Hochzeit
Eintragung einer Lebenspartnerschaft nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG)
Hochzeit eines Kindes oder Wiederverheiratung eines Elternteils
Goldene Hochzeit der Eltern
Geburt des eigenen Kindes
Beerdigung eines engen Familienmitglieds (Eltern, Kinder und Geschwister)
Fall 2: Sonderurlaub bei Umzug
Ob der Umzug von Mitarbeitenden einen Sonderurlaub gemäß § 616 BGB rechtfertigt, ist umstritten. Sonderurlaub wird in der Regel gewährt, wenn der Umzug aus betrieblichen Gründen erfolgt, d. h. wenn Mitarbeiter:innen für den Arbeitgeber umziehen. Bei einem Umzug aus rein privaten Gründen besteht in der Regel kein Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts.
Alle Details zu Sonderurlaub bei Umzug finden Sie in diesem Artikel.
Fall 3: Sonderurlaub bei Arztbesuch des/der Mitarbeitenden
Nach der Rechtsprechung muss ein Arbeitgeber nur dann Sonderurlaub nach § 616 BGB gewähren, wenn ein:e Arbeitnehmer:in dringende und konkrete Beschwerden hat und eine unmittelbare ärztliche Versorgung notwendig ist.
Allgemeine Untersuchungstermine beziehungsweise Behandlungstermine von Arbeitnehmer:innen fallen nicht unter § 616 BGB. Mitarbeitende sind grundsätzlich verpflichtet, Arztbesuche außerhalb der Arbeitszeit zu vereinbaren, sofern dies möglich und zumutbar ist.
Ausnahme: Manchmal wird es Arbeitnehmenden nicht möglich sein, den Arztbesuch in ihre freie Zeit zu legen. Eine Blutabnahme im nüchternen Zustand oder die eingeschränkten Öffnungszeiten der Praxis stellen von daher Fälle dar, die es rechtfertigen, dass der Gang zum Arzt bzw. zur Ärztin auch während der Arbeitszeit erfolgen darf.
Fall 4: Sonderurlaub bei Erkrankung und Pflege von Familienangehörigen
Auch wenn Familienangehörige erkranken und dadurch deren Pflege notwendig wird, können sich Mitarbeiter:innen im Einzelfall unter Fortzahlung des Entgelts nach § 616 BGB freistellen lassen. Die Pflege von Familienangehörigen gilt in der Regel als ein persönlicher Hinderungsgrund des/der Mitarbeitenden.
Welche Familienangehörigen die Regelung zum Sonderurlaub umfasst, ist jedoch umstritten. Der Arbeitgeber muss im Einzelfall abwägen und entscheiden.
Dabei ist zu prüfen, ob es dem/der Mitarbeiter:in im konkreten Fall unzumutbar ist, der vereinbarten Arbeitsleistung nachzukommen, obwohl ein Familienmitglied erkrankt ist. Besteht zwischen dem/der Mitarbeiter:in und dem:der Familienangehörigen beispielsweise eine „besondere Nähebeziehung“, die nicht nur auf räumlicher Nähe basiert? Ist das Familienmitglied zudem konkret auf die Hilfe und Pflege des/der Mitarbeitenden angewiesen, weil keine geeignete Betreuungsperson zur Verfügung steht?
Achtung: Sollte eine anderweitige Versorgung, etwa durch eine außerhalb des Haushalts lebende Person, möglich und zumutbar sein, muss der Arbeitgeber den/die Mitarbeiter:in auch nicht unter Fortzahlung des Entgelts freistellen.
Welche erkrankten Familienangehörigen einen Sonderurlaub rechtfertigen, kann also nicht nach Schema F aufgelistet werden.
Prinzipiell fallen darunter jedoch
Ehepartner:innen und Lebenspartner:innen,
Eltern und Geschwister sowie
eigene Kinder.
Bei Kindern greift eine zusätzliche Regelung.
Fall 5: Sonderurlaub bei Erkrankung der Kinder
Der Spezialfall für die bezahlte Freistellung von Mitarbeiter:innen, deren Kinder erkrankt sind, ist in § 45 SGB V festgelegt. Bis ein Kind zwölf Jahre alt ist, ist eine Erkrankung in aller Regel ein persönlicher Leistungshinderungsgrund für beide Elternteile.
Sind beide Eltern berufstätig, können sie selbst entscheiden, wer von ihnen die Pflege des erkrankten Kindes übernimmt. Arbeitet hingegen nur ein Elternteil, obliegt es dem nicht berufstätigen Elternteil, die Pflege zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Freistellung des berufstätigen Elternteils gewöhnlich nicht nötig und daher dem Arbeitgeber nicht zuzumuten.
Mit steigendem Alter des Kindes nimmt die Notwendigkeit der Pflege ab. Die Freistellung von Mitarbeitenden unter Fortzahlung des Entgelts ist bei Kindern nach dem zwölften Lebensjahr so zu beurteilen wie bei anderen Familienangehörigen auch.
45 SGB V gewährt dem/der Arbeitnehmer:in einen Anspruch auf Krankengeld gegenüber dem Sozialversicherungsträger und einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld.
Achtung: § 616 BGB ist vorrangig gegenüber der Regelung in § 45 SGB V, die einen bloßen Befreiungsanspruch darstellt. Ein:e Mitarbeiter:in kann nur dann auf § 45 SGB V zurückgreifen, wenn die Voraussetzungen von § 616 BGB nicht erfüllt sind oder der Anspruch auf Sonderurlaub nach § 616 BGB für den bestehenden Fall im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde.
Abdingbarkeit von § 616 BGB
Die Anwendung von § 616 BGB in Bezug auf Sonderurlaub kann in einem Arbeits- oder Tarifvertrag bzw. einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich abgeändert oder ausgeschlossen werden.
Bezüglich der konkreten Formulierung ist allerdings Vorsicht geboten. Denn umstritten ist, inwieweit der Ausschluss im Rahmen der einzelnen Vereinbarungen möglich ist. So geht die Rechtsprechung zum Beispiel davon aus, dass ein vollständiger Ausschluss von § 616 BGB durch eine Klausel in einem Formulararbeitsvertrag den/die Arbeitnehmer:in unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist.
Grundsätzlich gilt: Je konkreter der Ausschluss einzelner Ereignisse vereinbart wird, desto eher ist eine Ausschlussklausel wirksam.
TVöD – Sonderurlaub im öffentlichen Dienst
Den „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst“ – kurz TVöD – ziehen mitunter auch Arbeitgeber außerhalb des öffentlichen Dienstes zur Orientierung heran. Im TVöD ist der Sonderurlaub gemäß § 28 und § 29 geregelt. Dabei werden unterschiedliche Szenarien konkret benannt und mit einer festgelegten Dauer des Sonderurlaubs bedacht:
Geburt des Kindes: ein Arbeitstag
Tod eines nahen Verwandten (Ehepartner:in, Lebenspartner:in, Elternteil, Kind): zwei Arbeitstage
Umzug aus betrieblichen bzw. dienstlichen Ursachen: ein Arbeitstag
25- oder 40-jähriges Arbeitsjubiläum: ein Arbeitstag
schwere Erkrankung von Angehörigen: abhängig von Situation und Beziehung zum Erkrankten zwischen einem und bis zu vier Arbeitstagen pro Kalenderjahr
Arztbesuch, der zwingend während der Arbeitszeit zu erfolgen hat: Nachweis über erforderliche Dauer notwendig (Hin- und Rückweg sind bei der Entgeltfortzahlung ebenfalls zu berücksichtigen)
Vereinbarung von Sonderurlaub
Neben den oben genannten Fällen des § 616 BGB kann Sonderurlaub auch in Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen oder alternativ individuell zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden.
Da grundsätzlich Vertragsfreiheit herrscht, steht es den jeweiligen Parteien offen, im gegenseitigen Einverständnis festzulegen, für welche Anlässe und Dauer Sonderurlaub gewährt werden soll.
Die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, Sonderurlaub zu beantragen, kann beispielsweise an die Dauer des Arbeitsverhältnisses (bspw. Jubiläumsurlaub oder Treueurlaub) oder auch an bestimmte Ereignisse (bspw. Geburtstag des/der Arbeitnehmenden, Faschingsdienstag) geknüpft sein.
Wenn eine Betriebsvereinbarung, ein Tarifvertrag oder der Arbeitsvertrag eine spezielle Regelung zum Sonderurlaub enthält, dann geht diese Regelung der allgemeinen gesetzlichen Regelung des § 616 BGB vor.
Sonderurlaub: 5 Beispiele
Die folgenden Beispiele stellen Situationen dar, die in der Regel einen Anspruch auf Sonderurlaub begründen:
Dringender Arztbesuch: Eine Bäckereifachverkäuferin, die fest in der Morgenschicht eingeteilt ist, leidet während der morgendlichen Arbeitszeit regelmäßig unter Kreislaufproblemen. Zur Abklärung soll ein Blutbild erstellt werden. Bei der Blutabnahme hat die Arbeitnehmerin nüchtern zu erscheinen. Zu diesem Zweck bekommt die Fachkraft Sonderurlaub gewährt, der den Arztbesuch inklusive Hin- und Rückweg umfasst.
Geburt des eigenen Kindes: Ein werdender Vater, der als Unternehmensberater angestellt ist, möchte seiner Ehefrau am Tag der Geburt zur Seite stehen und beantragt hierfür Sonderurlaub. Zu diesem speziellen Anlass bewilligen viele Arbeitgeber ein bis drei Tage.
Standesamtliche und kirchliche Hochzeit: Ein Mitarbeiter im Einzelhandel, der jeden zweiten Samstag arbeitet, heiratet sowohl standesamtlich als auch kirchlich. Während die standesamtliche Eheschließung am Sonntag stattfindet, ist die kirchliche Trauung für die Folgewoche am Samstag geplant, an dem er gewöhnlich im Geschäft anwesend sein muss. Anlässlich der Hochzeit genehmigt der Arbeitgeber einen Tag Sonderurlaub.
Todesfall von dem/der Ehepartner:in: Eine Arbeitnehmerin im öffentlichen Dienst verliert ihren Ehepartner infolge eines Autounfalls. Der Anspruch auf Sonderurlaub anlässlich des Todesfalls beträgt zwei Arbeitstage.
Betrieblich veranlasster Umzug: Ein Mitarbeiter in der IT wechselt den Standort, was mit einem Umzug einhergeht. Da er dringend am neuen Standort gebraucht wird, soll der Ortswechsel schnellstmöglich und während der Arbeitszeit durchgeführt werden. In der Folge wird ein Tag Sonderurlaub für den Umzug gewährt.
FAQ
Ist ein Sonderurlaub bezahlt?
Im Rahmen eines Sonderurlaubs sind Arbeitgeber zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet. Unter welchen Bedingungen Angestellte ein Anrecht auf Sonderurlaub haben, ist allerdings nicht eindeutig festgelegt.
Wann gibt es Sonderurlaub?
Anspruch auf Sonderurlaub besteht laut § 616 BGB, wenn Arbeitnehmende unverschuldet aus dringenden persönlichen Gründen verhindert und somit vorübergehend nicht in der Lage sind, die Arbeitsleistung zu erbringen.
Was sind dringende persönliche Gründe?
Zu den dringenden persönlichen Gründen, die potenziell einen Anspruch auf Sonderurlaub bewirken, zählen beispielsweise die Geburt des eigenen Kindes, die eigene Hochzeit oder ein Todesfall im engen Verwandtenkreis.
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