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Wilder Streik: Definition, Rechtslage und Beispiele 2024
Wilde Streiks gibt es nicht erst seit der Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse im 21. Jahrhundert. Bereits in den Kinderjahren der Bundesrepublik wurden wilde Streiks medial wirkungsvoll thematisiert und inszeniert. Doch was genau ist ein wilder Streik? Wodurch unterscheidet er sich von einem regulären Streik? Welche rechtlichen Folgen hat er? Und wie Sie als HR bei einem wilden Streik richtig und besonnen reagieren.
Sie müssen aufgrund eines wilden Streiks Mitarbeitende abmahnen? Hier ist Ihre kostenlose Vorlage.Was ist ein wilder Streik?
Ein wilder Streik ist eine Form des Arbeitskampfes, der unmittelbar von den Arbeitnehmenden eines Unternehmens ausgerufen wird. Dabei legen die Streikenden die Arbeit nieder, ohne dass Gewerkschaften oder andere Arbeitnehmerverbände dem Streik zugestimmt oder ihn mitorganisiert haben.
Wilde Streiks können als Arbeitsverweigerung ausgelegt werden und für die daran beteiligten Mitarbeitenden arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wilde Streiks entstehen oftmals spontan, ohne großen zeitlichen Vorlauf. Das macht sie für ein Unternehmen unberechenbar.
Wilder Streik und regulärer Streik – was sind die Unterschiede?
Ein regulärer Streik darf nur von einer Tarifvertragspartei – z. B. einer Gewerkschaft – ausgerufen und geführt werden. Ohne das Ende der sog. Friedenspflicht (bis zum Ende der Laufzeit eines Tarifvertrages und der Zeit der Tarifverhandlung) abzuwarten, darf ein regulärer Streik nicht begonnen werden. In der Regel sind Arbeitsniederlegungen – mit Ausnahme von Warnstreiks – erst nach erfolgter Urabstimmung durch die Mitglieder:innen der betroffenen Gewerkschaft zulässig.
Wann liegt ein wilder Streik vor?
Ein wilder Streik liegt dann vor, wenn die Streikenden eines oder mehrerer Betriebe ohne Beteiligung der für die Branche verantwortlichen Gewerkschaft in den Streik treten, also ihre Arbeit niederlegen.
Rechtliche Fragen zum wilden Streik – Folgen, Verbot, Kündigung
Ist ein wilder Streik illegal?
Ein wilder Streik ist in Deutschland rechtswidrig, da er nicht von einer Arbeitnehmervereinigung ausgerufen wird, sondern unmittelbar von Mitarbeitenden. Arbeitgeber dürfen wilde Streiks deshalb auflösen.
ABER: Eine betroffene Gewerkschaft kann beschließen, einen wilden Streik zu übernehmen, und ihn somit legitimieren. Dabei werden dann beispielsweise die Forderungen der Streikenden in die Tarifforderungen der Gewerkschaft aufgenommen. Bereits 1955 hatte das Bundesarbeitsgericht hierzu grundlegend entschieden. So kann ein sozialadäquater Streik durch die Übernahme der entsprechenden Gewerkschaft zu einem rechtmäßigen, gewerkschaftlichen Streik werden. Sozialadäquat ist ein Streik dann, wenn er nicht gegen tarifliche Verpflichtungen verstößt und keine unerlaubte Handlung nach §§ 823 ff. BGB darstellt.
Welche Folgen hat ein Wilder Streik für die Streikenden?
Streikende verstoßen bei einem wilden Streik gegen Pflichten aus ihrem Arbeitsvertrag. Sie erbringen für die Streikdauer keine Arbeitsleistung und begehen dadurch Vertragsbruch. Diese Arbeitsverweigerung hat gravierende Folgen: Die Streikenden haben kein Recht auf Lohnauszahlung durch ihren Arbeitgeber. Es drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen, die bis zum Jobverlust führen können. Außerdem kann das Unternehmen von den Streikenden Schadensersatz fordern.
Warum sind Wilde Streiks verboten?
Das Recht auf Streik ist in Artikel 9 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verankert. Danach dürfen nur „Vereinigungen“ als Vertreter der Arbeitnehmenden einen Arbeitskampf führen, also streiken. Außerdem muss der Streik ein Ziel verfolgen, das im Tarifrecht geregelt werden kann. Ein wilder Streik schließt die Teilnahme von „Vereinigungen“ aber aus. Erst wenn eine Gewerkschaft den wilden Streik übernimmt, wird er rechtmäßig.
Wilder Streik – droht eine fristlose Kündigung?
Die Teilnahme an einem wilden Streik ist eine schwerwiegende Pflichtverletzung des einvernehmlich geschlossenen Arbeitsvertrages. Deshalb ist es Arbeitgebern als schärfste Reaktion möglich, wild streikenden Arbeitnehmer:innen ein außerordentlich und fristlos zu kündigen.
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Wilder Streik Beispiele
Insbesondere in den letzten Jahren gab es einige Beispiele für wilde Streiks in Deutschland, die dank wirkungsvoller medialer Inszenierung zum Tagesthema wurden.
Wilder Streik bei Fluggesellschaft
Im Zusammenhang mit großangelegten Umstrukturierungen bei der Fluggesellschaft TUIfly kam es 2016 zu einem schlagartig ansteigenden Krankenstand bei der Belegschaft. Zahlreiche Flüge mussten verschoben werden oder fielen aus, verbunden mit massiven finanziellen Folgen und einem hohen Imageschaden für das Unternehmen.
Der Europäische Gerichtshof EuGH entschied 2018, dass Airlines auch bei einem wilden Streik nicht von der gesetzlichen Entschädigungspflicht befreit seien. Denn Konflikte mit der Belegschaft seien nicht außergewöhnlich und der wilde Streik nicht unbeherrschbar gewesen. Dass es sich hierbei um einen wilden Streik handelte, war eindeutig: Direkt nach der Aufgabe der Sparpläne erschienen die zahlreich erkrankten Mitarbeitenden wieder zum Dienst. Rasch und völlig genesen.
Wilder Streik bei Lieferdienst
Weniger gut weg kamen einige Fahrradkuriere des Berliner Lieferdienstes Gorillas, die im Sommer 2021 an einem viertägigen wilden Streik wegen unpünktlicher und fehlerhafter Bezahlung und mangelhafter Ausstattung der Lieferfahrer teilgenommen hatten.
Das Berliner Landesarbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklagen der fristlos gekündigten Kuriere ab. Begründung: Der Streik sei nicht von einer Gewerkschaft organisiert worden und somit unrechtmäßig. Vorausgegangen war den außerordentlichen, fristlosen Kündigungen übrigens mehrfache Aufforderungen des Arbeitgebers an die Mitarbeitenden, die Arbeit wieder aufzunehmen.
So reagieren Sie als HR richtig auf einen Wilden Streik
Die Teilnahme an wilden Streiks ist in Deutschland unrechtmäßig. Sie als HR müssen wissen, wie Sie in dieser Situation mit Ihren streikenden Kolleg:innen am besten umgehen. Denn die Streikenden verstoßen gegen ihre Arbeitspflicht.
Als Gegenmaßnahme können Sie zum einen für die Dauer des wilden Streiks die Vergütung der Teilnehmenden einbehalten, im nächsten Schritt aber auch disziplinarische Maßnahmen wie Abmahnung und Kündigung anwenden. Vergessen Sie dabei aber nicht, dass insbesondere in Zeiten rascher Empörung über soziale Netzwerke derart harte arbeitsrechtliche Reaktionen zu massiven Imageschäden für Ihr Unternehmen und Ihre Arbeitgebermarke führen können. Insbesondere, wenn es den Streikenden gelingt, sich als Kämpfer gegen Beschäftigungsverhältnisse mit tendenziell prekären Arbeitsbedingungen darzustellen. Ein unbeabsichtigter Nebeneffekt harter arbeitsrechtlicher Gegenmaßnahmen kann auch sein, dass dadurch Gewerkschaften einen Fuß in die Tür Ihres Unternehmens bekommen. Um dann im Zweifelsfall beim nächsten Mal einen rechtmäßigen Streik auszurufen.
Bevor Sie Abmahnung und Kündigung als ultima ratio einsetzen, sollten Sie die unrechtmäßig an einem wilden Streik teilnehmenden Kolleg:innen unbedingt zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordern.
Prüfen Sie weiterhin mögliche Schadensersatzansprüche gegen einzelne Beteiligte an wilden Streiks und informieren Sie Arbeitnehmende vorher über diese Sanktionierung. Wenn Sie Ansprüche für entgangene Umsätze oder gar Produktionsausfälle geltend machen, werden Mitarbeitende das große Risiko hoher finanzieller Forderungen ins Kalkül ziehen. Und eventuell auf den wilden Streik verzichten.
HR sollte präventiv gegen wilde Streiks agieren. Mitarbeiterbefragungen können hierbei ein wirkungsvolles Instrument sein, um rechtzeitig drohende Eskalationen oder einen Stimmungswechsel im Rahmen von strategischen Neuausrichtungen zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern.
Damit es nicht zu einem wilden Streik kommt – befragen Sie rechtzeitig Ihre Belegschaft.