Fachkräftemangel in Deutschland – und wie man ihn überwindet

Fachkräftemangel in Deutschland

Diversen Schlagzeilen der Medien zufolge grassiert in Deutschland ein wachsender Fachkräftemangel. Und in der Tat: Viele Branchen, Berufszweige und Regionen erleben gravierende Engpässe bei der Besetzung von Stellen. Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, qualifiziertes Personal für offene Positionen zu gewinnen. Welche Ursachen der Fachkräftemangel hat, wie die Prognosen aussehen und welche Lösungen und Maßnahmen helfen können, erfahren Sie in diesem Artikel. ­­

Key Facts

  • Digitalisierung, demografischer Wandel und Dekarbonisierung sind einige Ursachen des Fachkräftemangels.

  • Ein großer Mangel an qualifizierten Fachkräften besteht in der Pflege, im Vertrieb, in der Bau- und IT-Branche sowie in Lehre und Erziehung.

  • Unternehmen erleiden durch den Fachkräftemangel häufig Umsatzeinbußen und haben höhere Personalkosten.

  • Zur Abmilderung des Fachkräftemangels können Frührentner:innen, Schwerbehinderte sowie Teilzeitkräfte verstärkt mobilisiert werden.

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Fachkräftemangel – was versteht man darunter?

Ein Fachkräftemangel liegt dann vor, wenn die Nachfrage nach Fachkräften in großem Maße ungedeckt bleibt – und dies flächendeckend über einen längeren Zeitraum hinweg. Mit anderen Worten: Betriebe und Unternehmen haben deutlich mehr freie Stellen für Fachkräfte zu besetzen als dafür passende Fachleute auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Der Fachkräftemangel kann in seiner langfristigen Auswirkung die gesamte Volkswirtschaft betreffen, zeigt sich in der Regel allerdings nur in bestimmten Branchen, Berufsgruppen oder Regionen. In der Regel wird ein entstehender Fachkräftemangel von der Dynamik und Funktionsweise eines flexiblen und funktionierenden Arbeitsmarktes zeitlich begrenzt. Man spricht dann von vereinzelten Fachkräfteengpässen.

Was sind Fachkräfte?

Als Fachkräfte bezeichnet man in Deutschland alle erwerbsfähigen Menschen, die entweder ein anerkanntes akademisches Studium oder eine mindestens zweijährige Berufsausbildung erfolgreich absolviert haben. Eine Fachkraft ist nach dieser Definition sowohl der Metallfacharbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung als auch die diplomierte Maschinenbauingenieurin in der Metallbranche.

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Gibt es einen Fachkräftemangel in Deutschland?

In den Medien wird der Fachkräftemangel in Deutschland seit Jahren nicht nur thematisiert, sondern geradezu als Popanz für die Volkswirtschaft aufgebaut. Mal ist die Rede vom „Jobkiller Fachkräftemangel“, mal begeben sich gleich ganze Branchen auf „Personaljagd“. Leidet Deutschland also wirklich unter einem Fachkräftemangel?

Das Bundeministerium für Wirtschaft sieht in der „Sicherung des Fachkräftebedarfs“ eine der großen Herausforderungen für die kommenden Jahrzehnte, die Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam lösen müssten. Von einem deutschlandweiten Fachkräftemangel spricht das Wirtschaftsministerium nicht, sieht aber sehr wohl einen dringenden Handlungsbedarf in bestimmten Branchen und Regionen. Denn nur eine starke Fachkräftebasis könne den Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig und nachhaltig sichern. In diesem Zusammenhang sprechen die Arbeitsmarktexperten auch eher von Fachkräfteengpässen als von einem Fachkräftemangel.

Wie man Fachkräftemangel misst

Eine wichtige Größe bei der Analyse und Bewertung von Fachkräfteengpässen und Fachkräftemangel ist die sogenannte Vakanzzeit. Sie wird von der Bundesagentur für Arbeit regelmäßig nach Berufsbereichen und Regionen betrachtet. Die Vakanzzeit beschreibt den Zeitraum zwischen der Ausschreibung einer offenen Stelle und deren Erledigung entweder durch Vermittlung, Neubesetzung oder Stornierung.

In Deutschland steigt die Vakanzzeit seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich an – von durchschnittlich 63 Tagen in 2007 auf 130 Tage in 2019. Längere Vakanzzeiten sind für Unternehmen nicht nur unproduktiv, sondern stellen vor allem einen hohen Kostenfaktor dar, den es möglichst zu vermeiden gilt.

Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln waren im Dezember 2020 insgesamt 195 Engpassberufe von insgesamt 1.226 Berufsgattungen zu verzeichnen, in denen es weniger passend qualifizierte Arbeitslose als offene Stellen gab. Ein klares Indiz für Fachkräfteengpässe in immer mehr Branchen. Die Unternehmen stehen unter Druck: Der War for Talents wird intensiver. Unternehmen müssen um die Gewinnung neuer Fachkräfte kämpfen.

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Statistiken, Fakten und Prognosen zum Fachkräftemangel in Deutschland

In den folgenden Branchen herrschte 2019 in Deutschland ein spürbarer Fachkräfteengpass (auch belegt durch die überdurchschnittlichen Vakanzzeiten):

Engpassberufe in Deutschland 2024
Quelle: Statista 2024

Besonders ausgeprägt ist der Mangel an Fachkräften in diesen Branchen:

  • in der Pflege

  • in technischen Berufen

  • im Handwerk

  • in medizinischen Berufen

  • in MINT-Berufen (Mathematik-, Ingenieur-, Naturwissenschaften und Technik).

In ihrer Prognose skizziert das IW in drei Zukunftsszenarien die Entwicklung des Fachkräfteangebots in Deutschland bei niedriger, mittlerer oder hoher Zuwanderung. Über Zuwanderung lässt sich der radikale Einbruch auf dem Fachkräftemarkt abfedern, wenn die Babyboomer-Generation in den Ruhestand geht. Bei geringer Zuwanderung könnten 2040 bereits etwa 4,2 Millionen Fachkräfte fehlen, bei hoher Zuwanderung in Kombination mit einem späteren Renteneintritt bleibt die Zahl der aktiven Fachkräfte in etwas ähnlich hoch wie heute.

Die folgende Grafik zeigt ein mittleres, plausibles Szenario, nach dem 2040 rund 3,1 Millionen Fachkräfte fehlen werden. Als besonders problematisch erweist sich die starke Verschiebung der Zahlen zwischen akademischen und beruflich qualifizierten Beschäftigten. Fazit: Nicht nur die absolute Zahl der Fachkräfte geht zurück, auch die Zusammensetzung der Fachkräftegruppe ändert sich stark.

Prognose: Fachkräfte in Deutschland bis 2040
Quelle: Statista 2021

Regionale Fachkräfteengpässe zeigen sich besonders stark in den traditionell wirtschaftlich starken süddeutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in den neuen Bundesländern. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) hat die regionale Fachkräftesituation in Bundesländersteckbriefen grafisch übersichtlich dargestellt. Hier können Arbeitgeber auf einen Blick erkennen, wo sie für Bewerber:innen besonders attraktiv sein müssen. In der Regel sind dies die ländlichen Regionen, die oftmals mit strukturellen Schwächen zu kämpfen haben.

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Ursachen und Folgen des Fachkräftemangels

Demographischer Wandel

Hauptursache für den Fachkräftemangel in den genannten Branchen ist der demographische Wandel in Deutschland. Im Jahr 2030 sinkt die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter auf einen Bestand von 45,9 Millionen, 2060 werden es dann nur noch 35,7 Millionen Erwerbsfähige sein. Je weniger Menschen geboren werden, desto weniger Arbeitskräfte stehen dem Arbeitsmarkt generell oder vor allem als begehrte Fachkräfte zur Verfügung. Besonders problematisch stellt sich die Überalterung der Bevölkerung für den Berufszweig der Altenpflege dar – denn der Bedarf an Pflegefachkräften steigt mit zunehmender Alterung der Gesellschaft. Ein Teufelskreislauf.

Globaler Wettbewerb

Gut ausgebildete und auch studierte Arbeitnehmer:innen in gefragten Branchen können sich ihre Jobs in der Regel aussuchen. Sie nehmen nicht das erstbeste Angebot an, sondern gehen selektiv vor. Insbesondere in der stark globalisierten IT-Branche stehen deutsche Unternehmen des Mittelstands mit internationalen Wettbewerbern in Konkurrenz und ziehen den Kürzeren. Deutsche Fachkräfte stehen einem Gang ins Ausland immer öfter offen gegenüber.

Mangelnde Attraktivität der Ausbildung

Das deutsche Erfolgsmodell der dualen Ausbildung befindet sich aktuell in einer Sackgasse, denn immer mehr Schulabsolventen werden – bildungspolitisch gewünscht – auf den akademischen Weg geführt. Junge Menschen, die ein Studium absolvieren, gehen nicht in Berufe, die einen Aus- oder Fortbildungsabschluss erfordern. 2020 erreichte die Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen laut Bundesinstitut für Berufsbildung mit nur noch 439.300 einen neuen Tiefststand. Viele Ausbildungsberufe haben ein Image- und Attraktivitätsproblem, besonders in Handwerk und Pflege.

Technologieschübe und Digitalisierung

Auch die fortschreitende Digitalisierung in vielen Wirtschaftszweigen trägt zum Fachkräftemangel bei. Neue Berufsbilder entstehen, die ein ausgeprägtes Fachwissen voraussetzen, das viele Beschäftigte nicht vorweisen können. Technologieschübe verlangen nach hochspezialisiertem Fachwissen.

Folgen des Fachkräftemangels

Bewahrheiten sich die Prognosen zum Fachkräftemangel in den genannten Branchen und Regionen, werden drastische Einschnitte und negative Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht ausbleiben. Fehlendes Fachpersonal bedeutet in der Folge Aufträge, die nicht mehr angenommen werden können. Langfristig führt dies zu Umsatzeinbußen.

Umworbene Fachkräfte werden immer teurer – diesen Preis zahlen die Arbeitgeber, um im Wettbewerb bestehen zu können. Doch gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen werden dadurch die Etats derart belastet, dass die Wettbewerbsfähigkeit letztlich leidet.

Fazit: Ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist ohne qualifizierte Fachkräfte nicht denkbar.

Fachkräftemangel – Lösung und Maßnahmen

Mehr als 50 Prozent der deutschen Unternehmen sehen im drohenden Fachkräftemangel die größte Gefahr für die Entwicklung ihrer Geschäfte. Einem flächendeckenden Fachkräftemangel lässt sich nur dann erfolgreich begegnen, wenn alle betroffenen Player aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an einem Strang ziehen.

Es gibt ein ganzes Bündel an möglichen Lösungen und Maßnahmen, um Fachkräfteengpässe aufzulösen bzw. einen Fachkräftemangel gar nicht erst entstehen zu lassen. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung spielt eine wichtige Rolle. Seine Hauptaufgabe: Fachkräfte für kleinere und mittlere Unternehmen finden, binden und qualifizieren.

Schlummernde Potenziale heben

Auf dem Arbeitsmarkt gilt es, zahlreiche Ressourcen zu erschließen, die bisher noch nicht ausreichend eingebunden sind.

Frauen in der Familienphase einbinden

Um auf die Ressourcen von Frauen zurückgreifen zu können, müssen Familie und Beruf besser vereinbart werden können, etwas durch flexiblere Arbeitszeitgestaltung, durch die Möglichkeit von Remote Work oder durch das Angebot einer Kinderbetreuung im Unternehmen.

Ältere Arbeitnehmer:innen binden

Die Frühverrentung vieler Beschäftigter hat zu einem erheblichen Fachkräfteverlust geführt. Ältere Fachkräfte müssten zur Rückkehr bewegt werden, eine entsprechende Qualifizierung erhalten und durch ein starkes betriebliches Gesundheitsmanagement sowie eine altersgerechte Gestaltung der Arbeit reaktiviert werden. Das umfassende Fachwissen und langjährige Berufserfahrung älterer Arbeitnehmer:innen und die Dynamik der jüngeren Beschäftigten sind eine wertvolle Kombination auf dem Fachkräftemarkt.

Zuwanderung fördern

Ohne jegliche Zuwanderung gäbe es in Deutschland im Jahr 2060 ein Drittel weniger Erwerbstätige. Hier ist ein großer Hebel, der von vielen Unternehmen noch relativ ungenutzt ist. Fachkräfte können allerdings nur dann gezielt im Ausland angeworben werden, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen (z.B. Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis). Damit Recruiting im Ausland langfristig funktioniert, ist die Integration der neuen Kolleg:innen über Sprachkurse und Kulturangebote im Unternehmen voranzutreiben.

Menschen mit Behinderung inkludieren

Hier gilt es vor allem, hochgradig individuelle Qualifizierungsangebote zu machen, um Menschen mit Behinderung zu Fachkräften weiterbilden zu können. Fast 180.00 Menschen mit Schwerbehinderung würden laut Agentur für Arbeit gerne arbeiten und sind bereits überdurchschnittlich gut qualifiziert.

Teilzeitkräfte aufstocken

Das Potenzial ist gewaltig: Mehr als 4, 6 Millionen Menschen arbeiteten 2019 in Teilzeit, davon fast 4 Millionen Frauen. Der Schlüssel, diese Teilzeitkräfte zur Aufstockung zu bewegen, steckt in den Arbeitszeitmodellen, die möglichst flexibel und attraktiv sein müssen.

Hybride Arbeitsmodelle entwickeln

Die Corona-Krise hat es zutage gefördert. In zahlreichen Unternehmen können Fachkräfte problemlos mobil arbeiten, arbeitsrechtlich und technisch passende Lösungen vorausgesetzt. Selbst wenn Remote Work nicht zur Regel wird, die Entwicklung hybrider Arbeitsmodelle sorgt gleichermaßen für hohe Produktivität und Motivation bei bereits vorhandenen Fachkräften.

>> Wie wir hybrides Arbeiten bei Personio umsetzen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Unternehmenskultur optimieren

Die Zeiten, in denen Unternehmen und Organisationen darauf warten konnten, bis sich die passenden Bewerber:innen bei ihnen melden, sind vorbei. Aktives Recruiting und ein jederzeit respektvoller Umgang mit den potenziellen neuen Fachkräften müssen selbstverständlich sein. Mit Standardabsagen und wochenlangem Schweigen im Bewerbungsprozess disqualifizieren sich Unternehmen. Doch wenn Fachkräfte für das eigene Unternehmen gewonnen werden konnten, gilt es, sie durch eine offene und wertschätzende Unternehmenskultur langfristig zu binden. Je offener und flexibler ein Unternehmen mit seinen Beschäftigten umgeht, desto größer sind die Chancen, auch in Zukunft qualifizierte Fachkräfte gewinnen zu können.

Einen kostenlosen Leitfaden zur Stärkung Ihrer Unternehmenskultur können Sie hier herunterladen.

Employer Branding stärken

Unternehmen müssen sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren, der auf die gewünschten Fachkräfte anziehend wirkt. Dazu trägt Employer Branding bei – es wirkt nach außen (erfolgreiches Recruiting) und nach innen (langfristige Mitarbeiterbindung). Damit ein Fachkräftemangel gar nicht erst entsteht.

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