Tarifvertrag: Was Sie wissen müssen

Tarifvertrag

Tarifverträge besitzen besonders in traditionellen Branchen wie beispielsweise der Metall- und Chemieindustrie eine lange Historie. Derartige Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern sorgen für vergleichbare Arbeitsbedingungen und Löhne. Die Dynamik der heutigen Arbeitswelt bringt jedoch Veränderungen mit sich, die einen Rückgang bei Tarifvereinbarungen bewirken. Was das für die Zukunft bedeutet und ob sich Tarifverträge auch für Arbeitgeber lohnen, lesen Sie in diesem Artikel.

Das Wichtigste zusammengefasst:

  • Tarifverträge werden zwischen einer Gewerkschaft und einem oder mehreren Arbeitgebern ausgehandelt.

  • Eine Tarifbindung kann die Attraktivität eines Arbeitgebers für Fachkräfte erhöhen.

  • In Deutschland ist die Zahl der tariflichen Vereinbarungen aufgrund von Veränderungen in der Arbeitswelt rückläufig.

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Was ist ein Tarifvertrag?

Bei einem Tarifvertrag handelt es sich um einen Vertrag zwischen einem Arbeitgeber(verband) und einer Gewerkschaft. Der Inhalt dieser Übereinkunft sind die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, wobei Gewerkschaften die Arbeitnehmer:innen repräsentieren. Auf diesem Wege werden auch Grundsätze hinsichtlich des Abschlusses und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie weitere betriebliche Fragestellungen geregelt. 

Gut zu wissen: Beliebte Synonyme lauten „Tarifvereinbarung“ oder „tarifliche Vereinbarung“.

Rechtliche Grundlagen eines Tarifvertrags

Das deutsche Grundgesetz sichert Arbeitgebern und Gewerkschaften das Recht zu, Tarifvereinbarungen selbstständig und unabhängig von staatlichen Eingriffen abzuschließen. Diese als Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie bezeichneten Privilegien dienen der „Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ (Artikel 9 des Grundgesetzes). Tarifvereinbarungen sorgen für Transparenz und beugen Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer:innen von vornherein vor. Arbeitgeber wiederum sind vor ausufernden Gehaltsforderungen von Arbeitnehmer:innen, die ihren Marktwert ausreizen wollen, geschützt. Außerdem haben branchenweite Tarifverträge eine Regulierungsfunktion inne.

Mit dem Tarifvertragsgesetz (TVG) existiert zudem ein Regelwerk, das Modalitäten wie den Inhalt, die Verbindlichkeit und die Beschaffenheit der Tarifvereinbarungen festlegt. Tarifvereinbarungen bilden somit neben Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen eine weitere relevante Vertragsart für Unternehmen und Beschäftigte. 

Überprüfen Sie mithilfe unseres Artikels, welche Inhalte ein Arbeitsvertrag abdecken muss.

Eine Tarifvereinbarung nimmt in der Rechtshierarchie gegenüber dem Arbeitsvertrag eine höhere Stellung ein. Parallel dazu gilt jedoch auch das Günstigkeitsprinzip. Das bedeutet: Enthalten beispielsweise ein individueller Arbeitsvertrag und die gültige tarifliche Vereinbarung voneinander abweichende Regelungen, ist die für Arbeitnehmer:innen günstigere Variante stets vorrangig

Ausnahmen davon sind durch sogenannte Öffnungsklauseln im Tarifvertrag möglich. Mit einer derartigen Bestimmung kann etwa festgelegt werden, dass Gehälter auf Grundlage des Unternehmenserfolgs bemessen werden. Das könnte bedeuten, dass Arbeitnehmer:innen auf eine tariflich vorgesehene Lohnerhöhung verzichten oder auch auf einen Teil des aktuell vereinbarten Lohns, wenn das angeschlagene Unternehmen im Gegenzug keine betriebsbedingten Kündigungen vornimmt. Die Öffnungsklauseln untergraben somit auf den ersten Blick eine tarifliche Entlohnung, können dadurch aber möglicherweise die Weiterbeschäftigung sicherstellen. 

Gemäß dem Tarifvertragsgesetz § 5 kann das BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) die Allgemeinverbindlichkeit einer bestehenden Tarifvereinbarung verkünden. Voraussetzungen dafür ist, dass dies im Sinne des öffentlichen Interesses geschieht und die Tarifvereinbarung in ihrem Geltungsbereich überwiegende Bedeutung erlangt hat. Dann gilt die tarifliche Vereinbarung auch für bis dato nicht tarifgebundene Beschäftigte einer jeweiligen Branche.

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Arten von Tarifverträgen 

Je nach Gegenstand, Umfang oder Zusammensetzung der Vertragsparteien einer Tarifvereinbarung unterscheidet man folgende Arten:

  • Lohn- und Gehaltstarifvertrag: Diese Art von tariflicher Vereinbarung regelt die Höhe der Vergütungen von Arbeitnehmer:innen. Dabei kann zwischen verschiedenen Lohn- bzw. Gehaltsgruppen differenziert werden – beispielsweise in Abhängigkeit vom Anforderungsniveau oder der Betriebszugehörigkeit. Die Gültigkeit ist oft auf ein Jahr bzw. wenige Jahre beschränkt.

  • Manteltarifvertrag: Ein Manteltarifvertrag (Rahmentarifvertrag) spezifiziert die Arbeitsbedingungen im Detail – wie z. B. Arbeitszeit, Urlaubsansprüche oder Zusatzleistungen von Arbeitnehmer:innen. Auf diese Weise getroffene Vereinbarungen gelten meist vergleichsweise langfristig.

  • Fir­men­ta­rif­ver­trag: Bei einem Fir­men­ta­rif­ver­trag steht auf der Arbeitgeberseite ein einzelnes Unternehmen. Die Vereinbarungen sind in der Folge eng auf den individuellen Betrieb zugeschnitten.

  • Verbandstarifvertrag: Bei einem Verbandstarifvertrag steht eine Gewerkschaft einem Arbeitgeberverband gegenüber. Einem Arbeitgeberverband gehören mehrere Arbeitgeber einer Branche an. Aus diesem Grund wird der Verbandstarifvertrag auch als Branchen- oder Flächen­ta­rif­ver­trag bezeichnet.

  • Firmenbezogener Verbandstarifvertrag: Diese Sonderform des Verbandstarifvertrags basiert zunächst einmal auf den Vereinbarungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband. Hinzu kommen individuelle Regelungen oder Auslassungen eines einzelnen Unternehmens – z. B. Sonderabsprachen, die im Zusammenhang mit einer geplanten Sanierung des betreffenden Betriebes stehen.

Wie kommt es zu einem Tarifvertrag?

Dem Abschluss einer Tarifvereinbarung gehen oft langwierige Verhandlungen voraus. Damit diese überhaupt erst zustande kommen, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:

Auf welchen Voraussetzungen basiert ein Tarifvertrag?

Um eine tarifliche Vereinbarung auf den Weg zu bringen, bedarf es zunächst zweier tariffähiger Parteien:

  • Auf Arbeitgeberseite schließen sich häufig mehrere Arbeitgeber in einem Arbeitgeberverband zusammen.

  • Die Gewerkschaft als Ar­beit­neh­mer­or­ga­ni­sa­ti­on und zweite Tarifpartei muss diverse Merkmale aufweisen. Zunächst einmal muss sie sich freiwillig sowie unabhängig vom Staat und der Arbeitgeberseite gebildet haben. Ferner muss eine Gewerkschaft demokratisch organisiert und auf Dauer angelegt sein. Ein spontaner, kurzweiliger Zusammenschluss aufbegehrender Arbeitnehmer:innen erfüllt demnach diese Voraussetzung nicht. 

Wie kommt es zum Abschluss eines Tarifvertrags?

Bevor eine Tarifvereinbarung zustande kommen kann, diskutieren zunächst die Mitglieder beider Tarifparteien über die zu stellenden Forderungen. Innerhalb einer Gewerkschaft wird dazu eine Tarifkommission gewählt, der oft Betriebsräte oder Vertrauenspersonen angehören. Handelt es sich bei der zweiten Partei um einen Arbeitgeberverband, besteht die Herausforderung darin, die Interessen und Forderungen mehrerer Unternehmen vorweg in Einklang zu bringen

Anschließend begeben sich die Tarifvertragsparteien in eine gemeinsame Tarifverhandlung, die aus mehreren Tarifrunden bestehen kann. Sofern es den Tarifparteien gelingt, ihre Interessen und Anliegen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, wird ein Tarifvertrag aufgesetzt. 

Gut zu wissen: Nach einer festgelegten Mindestlaufzeit sind beide Tarifvertragsparteien berechtigt, die Tarifvereinbarung zu kündigen. Im Anschluss an eine Kündigung können die Parteien erneute Verhandlungen aufnehmen, um eine neue tarifliche Vereinbarung anzustreben. 

Lesetipp: Vertragsmanagement – das sollten Sie wissen

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Warum sind Tarifverträge wichtig für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber?

Eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung vergleicht die Arbeitsbedingungen in deutschen Betrieben mit bzw. ohne Tarifbindung. Den Ergebnissen zufolge arbeiten Vollzeitbeschäftigte in Betrieben mit Tarifbindung knapp eine Stunde wöchentlich weniger, wobei der Verdienst im Schnitt 12 Prozent höher ausfällt.

Wenn mehr Arbeitnehmer:innen in den Genuss einer Tarifbindung kommen, steigt laut den Autoren die Kaufkraft der Bevölkerung. Des Weiteren profitieren beide Seiten – Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber – von erkennbaren Vorteilen:

  • Höhere Planbarkeit: Für die Dauer der Tariflaufzeit sind Gehälter bzw. Gehaltssteigerungen und weitere Arbeitsbedingungen festgelegt. Dies macht einerseits die anstehenden Personalkosten für Arbeitgeber kalkulierbar sowie andererseits das zu erwartende Einkommen für Arbeitnehmer:innen planbar.

  • Mehr Gleichberechtigung: Festgelegte Gehaltsklassen durch vergleichbare Arbeitsbedingungen tragen zu einem fairen Wettbewerb bei.

  • Wachsende Attraktivität für Unternehmen: Mit einem attraktiven Tarifvertragsabschluss können Arbeitgeber bei Arbeitssuchenden punkten und dem Fachkräftemangel auf diesem Weg ein Stück weit trotzen.

  • Sinkender administrativer Aufwand: Unternehmen sparen Ressourcen, indem weniger Zeit für die Verhandlungen individueller Verträge bzw. für regelmäßige Gehaltsverhandlungen aufzuwenden ist.

Lesetipp: So können Sie als Arbeitgeber durch Entfristung das Engagement Ihrer Mitarbeitenden fördern.

Welche Tarifverträge gibt es in Deutschland?

In Deutschland abgeschlossene Tarifvereinbarungen werden im Tarifregister des BMAS erfasst, wobei 2023 über 84.000 gültige Tarifverträge registriert sind. Die Arbeitsministerien der Länder führen darüber hinaus eigene Tarifregister. 

Zu den größten bzw. umfassendsten Tarifverträgen hierzulande gehören unter anderem:

  • Entgelt-Rahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie (ERA)

  • Tarifvertrag Handel (Tv-H) 

  • Tarifvertrag für die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche (TVF)

  • Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) 

  • Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)

In der Datenbank des Statistischen Bundesamts können die Bedingungen und Geltungsbereiche bestehender Tarifverträge abgerufen werden. 

Welche Zukunft haben Tarifverträge?

Seit 1998 weist die Verbreitung von Tarifverträgen in Deutschland einen rückläufigen Trend auf. Während Ende der 1990er-Jahre noch für mehr als zwei Drittel der Beschäftigten ein Tarifvertrag galt, sank dieser Anteil bis zum Jahr 2021 etwa auf die Hälfte. 

Das BMAS führt dies auf eine sinkende Durchsetzungskraft der Gewerkschaften zurück, die aus Veränderungen unserer Arbeitswelt resultieren. Dazu zählen die zunehmende Globalisierung, Digitalisierung sowie die wachsende Anzahl „untypischer“ Beschäftigungsverhältnisse von Arbeitnehmer:innen. Besonders die weniger traditionellen Branchen wie IT und Multimedia sind davon betroffen.

Zukünftige Tarifvereinbarungen erfordern womöglich ein höheres Maß an Flexibilität, um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten. Sofern keine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen an die fortschreitenden Trends der Arbeitswelt stattfindet, könnte sich dies insbesondere auf die Lohngleichheit negativ auswirken.

FAQ

Welche Arten von Tarifverträgen gibt es?

Anhand des Geltungsbereichs unterscheidet man grundsätzlich zwischen Fir­men­ta­rif­ver­trägen (gelten für einen Arbeitgeber) und Verbandstarifverträgen (gelten für mehrere Mitglieder eines Arbeitgeberverbands oder einer Branche). Darüber hinaus entscheidet die Vertragsart über den Inhalt. Die Schwerpunkte reichen von Regelungen mit Bezug auf Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaub und Kündigungsfristen (Manteltarifvertrag/Rahmentarifvertrag) bis hin zur Vergütung (Lohn- bzw. Gehaltstarifverträge). 

Für wen gilt ein Tarifvertrag und wie erfahre ich, ob ich tarifgebunden bin?

Die Bedingungen einer Tarifvereinbarung gelten für die jeweiligen Vertragsparteien, zu denen ein Arbeitgeber(verband) sowie die Mitglieder einer Gewerkschaft gehören. Weitet ein Arbeitgeber den Tarifvertrag auf alle Beschäftigten aus (Gleichstellungsabrede), so wird dies im Arbeitsvertrag erwähnt und gilt dann auch für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Außerdem kann das BMAS den Tarifvertrag innerhalb einer spezifischen Branche für all­ge­mein­ ver­bind­lich erklären. Die für bestimmte Branchen geltenden tariflichen Vereinbarungen können in der Tarifdatenbank des Statistischen Bundesamts nachgeschlagen werden.

Was passiert, wenn ein Tarifvertrag gekündigt oder geändert wird?

Die Kündigung einer Tarifvereinbarung hat die sogenannte Nachwirkung zur Folge: Der zuletzt vereinbarte Tarifvertrag besteht bis zum Ende eines Arbeitsverhältnisses fort oder bis eine neue Vereinbarung (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag) getroffen wird. Anschließend kann ein veränderter Tarifvertrag neu verhandelt werden.

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